Theater der Claudius-Höfe inszeniert das Stück „Raufaser oder Blümchenmuster“ über Nachbarschaft, über Konflikte Behinderter und Nicht-Behinderter
Mitte. Anna Lena Naroska haucht ihr Lied äußerst konzentriert, mit geschlossenen Augen, ins Mikrofon. Die 18-Jährige mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) gehört zum Ensemble des Claudius-Theaters. Elf Frauen und Männer, mit und ohne körperliche und geistige Behinderung, bereiten seit Monaten das Stück „Raufaser oder Blümchenmuster“ vor, das am 17. Mai Premiere feiert.
Wie die junge Frau, die gerade ein Praktikum in einem Bioladen angefangen hat, das neue Leben auf der Bühne findet? Sie reckt beide Daumen nach oben. Dass Anna Lena Naroska indes nicht nur mimt, sondern vor allem auch singt, liegt an ihren musischen Neigungen: Sie ist Fan von Helene Fischer und sehr, sehr sportlich: „Ich tanze, schwimme, fahre Roller.“
Der Theaterpädagoge Jens Niemeier hat das Konzept für Menschen zwischen 18 und 60 Jahren entwickelt, nachdem Andreas Uphues als Mitglied bei KuKuC (Kunst und Kultur in den Claudius-Höfen) den Impuls gab. Das Johanneswerk war dann Wegbereiter.
Bühnenluft schnuppern Bewohner der Claudiushöfe: Das integrative Wohnprojekt beinhaltet ein Zusammenleben von Menschen mit und ohne Handicap, jeden Alters, Familien und Alleinstehende.
Aber auch Leute aus der Nachbarschaft sind dabei. Wie Viola Eisenbach, die an der Friederika-straße wohnt. Sie hat MS, würde in die Claudiushöfe ziehen. Derzeit sind aber alle Wohnungen belegt. „Mir gefällt an dem Ensemble der Mix aus Behinderten und Nicht-Behinderten. Zu Anfang war es ein Chaos. Ich dachte, das wird nie was. Doch jetzt stehen die Rollen, das Stück und die Handlung.“
Alles dreht sich um Nachbarschaft, um alltägliche Konflikte, um Rücksichtnahme, Egoismus, um das etwas andere Zusammenwohnen in den Claudiushöfen. Jens Niemeier überließ es den Darstellern, die Figuren mit zu entwickeln. „Alle haben unendlich viele Ideen eingebracht. Wir haben sie in eine Form gegossen, in der sich jeder beim Spiel wohl fühlt.“
Heraus kam eine bunte Collage um Um- und Einzug verschiedener Charaktere. Es gibt viel Gesang, Tanz, und Dialoge. Einen langen Monolog hat James Chatheril gleich zu Beginn: Der Text in altertümlich-literarischer Form sitzt fehlerfrei. Ab sofort wird täglich geprobt, mit Requisiten; denn bis zum nächsten Samstag muss alles sitzen. Umzugskartons sind unentbehrlich, für den Rest reichen Schürze, Besen, Telefon, Topfblumen, Fernseher.
Petra Kolpak wohnt seit Herbst 2012 in den Claudius-Höfen. Ursprünglich wollte sie für das Theaterprojekt die Organisation übernehmen, jetzt spielt sie selbst mit. „Die jungen Leute haben mich mit ihrer Begeisterung mitgezogen.“ Das Stück, soviel verrät sie, habe viel Lokalkolorit. Und zum Finale singen alle das Bochum-Lied.