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„Das ist eine Herrengesellschaft“, stellt Traute Reich kurz, knapp – und lächelnd - fest. „Da haben Damen nix zu suchen.“ Traute Reich ist Ehefrau eines „Kanoniers“ und sie plaudert mit einer Handvoll Kolleginnen in der Gesellschaft Harmonie an der Gudrunstraße. Zwei Räume weiter tagen die Mitglieder der „Herrengesellschaft Kanone“. Gestandene Männer unter sich – mit symbolischer Kanone und eigenem Wimpel auf dem Tisch. Ganz ohne Frauenquote, aber keineswegs frauenfeindlich. Und immer im Dienst der Geselligkeit.

„Wir sind eine Bochumer Traditionsgesellschaft“, liest man auf der Internetseite. Die „Kanone“ hat seit ihrer Gründung im Jahr 1880 viele Höhen und Tiefen erlebt: Es gab Umbrüche in Staat und Gesellschaft. Staatsformen kamen und gingen. Regierungen stürzten, und gesellschaftliche Sichtweisen änderten sich. Die „Kanone“ aber blieb, denn, so die Internetseite, „Geselligkeit … ist ein menschliches Grundbedürfnis.“ Wer wollte da nicht zustimmen.

Auch jenen, die für die Frauenquote und noch mehr Emanzipation streiten, ist klar, dass Männer und Frauen unterschiedlich „ticken“. „Wir haben oft ganz andere Gesprächsthemen - und auch andere Vorstellungen von Geselligkeit“, stellt Michael Sigesmund fest. Er ist eines der jüngeren Mitglieder und seit 1993 dabei. Dr. Hermann Goecke hält der Gesellschaft allerdings schon seit 1961 (!) die Treue.

Frauenquote und Emanzipation, das sind Begriffe, die den Gründervätern der Herrengesellschaft noch völlig unbekannt waren, als Bochum in den 20 Jahren von 1880 bis 1900 von 40.000 auf über 100.000 Einwohner regelrecht explodierte. Und die „Kanone“ gleich mit: Vor dem Ersten Weltkrieg zählte die Gesellschaft zeitweise bis zu 250 Mitglieder. Sie besaß ein eigenes, repräsentatives „Kanonen-Haus“ an der Kortumstraße und sogar eine eigene Weinhandlung.

Als das Ruhrgebiet 1923 unter französischer Besatzung stand, löste man sich kurzfristig auf, und 1943 stand das Vereinsleben kriegsbedingt still. In allen anderen Jahren aber, so der aktuelle Präsident Prof. Dr. Karl Bremer, „gab es bei uns ein vielseitig gestaltetes gesellschaftliches Leben.“ Rund 50 „Kanoniere“ nehmen – ohne Anwesenheitspflicht – regelmäßig daran teil.

Prof. Bremer ist Chefarzt im Ruhestand. Er arbeitete an der Augusta Klinik, auf der anderen Seite des Stadtparks. Die „Kanone“ ist allerdings kein elitärer Kreis: Apotheker, Ingenieure, Chemiker, Kaufleute und Bänker sind u.a. dabei, diskutieren bei den 14tägigen Treffen über Gott und die Welt – und bilden sich auch weiter.

„Neben den regelmäßigen Vorträgen“, so Prof. Bremer, „stehen auch Ausflüge (teilweise mit Damen) auf dem Jahresprogramm. Schloss Cappenberg, die „Situation Kunst“ im Schlosspark Weitmar oder Schloss Braunfeld sind nur einige unserer Ziele.“ Im Krieg sind dort sicher Kanonen abgefeuert worden. Die „Herrengesellschaft Kanone“ allerdings kommt immer nur in friedlicher Absicht.