Gerthe. .
„Attraktivität der Fußgängerzone in Gerthe nimmt kolossal ab“ – so überschrieb die WAZ bereits Anfang 2001 die „harten Zeiten im Gerther Einzelhandel“. In den fast zwölf Jahren seither ist die Entwicklung eher noch negativer verlaufen. Das WAZ-Mobil mit der Stadtteilredaktion für den Norden machte genau zu diesem Thema gestern Station auf dem Marktplatz und lud zur Diskussion, moderiert von Redakteur Michael Weeke.
Fünf Leerstände hat Heinrich August Mikus (CDU) auf dem kurzen Abschnitt der Fußgängerzone Turnstraße gezählt, „einige davon sind schon seit Jahren unvermietet.“ Den Fehler, die Ansiedlung von Supermärkten auf Lothringen vor Jahren zuzulassen, würde er als Politiker heute nicht mehr machen.
Bezirksbürgermeisterin Susanne Mantesberg (SPD): „Wir hätten es damals gar nicht verhindern können.“ In den Innenstädten sind die Ladenlokale zu klein, die Kaufkraft für große Unternehmen zu gering,es fehlt an ausreichend Parkplätzen; und so zogen nach und nach Rewe, Aldi und Lidl ein paar hundert Meter weiter aufs ehemalige Zechenareal, das eigentlich als Gewerbegebiet geplant war mit der Folge, dass die Gerther Fußgängerzone nicht einen Nahversorger mehr hat.
Das Ausbluten der Innenstadt hat auch Auswirkungen auf den Wochenmarkt, oder, wie der Gerther Jürgen Kuske schimpfte: „Das ist kein Markt-, das ist ein Parkplatz.“ Drei bis fünf Stände zweimal pro Woche lassen in der Tat kein echtes Marktflair aufkommen.
Marion Kensy vom Initiativkreis Gerthe („Inge“) fühlt sich als Geschäftsfrau von der Politik oft allein gelassen: „Seit die Stadt die Blumenkübel aus Geldmangel nicht mehr bepflanzt, wollten wir als Einzelhändler die Pflege übernehmen und dafür als Paten ein kleines Schild anbringen. Das aber wurde uns untersagt.“ Die Unkraut bewucherten Betonkästen an vielen Stellen der Fußgängerzone sind wahrlich kein erbaulicher Anblick. Dabei bemühe sich „Inge“ mit rund 30 Mitgliedern inhabergeführter Läden, das Gerther Zentrum aufzuhübschen. Kensy: „Die Politik kann nicht nur von uns Geschäftsleuten Einsatz erwarten; wir wollen dabei auch unterstützt werden.“
Claudia Jaquet hat ein Fotostudio in der Fußgängerzone und ähnliche Erfahrungen gemacht. „Ich kann den Anblick dieser Hochbeete nicht mehr ertragen, doch alle unsere Vorschläge, die Situation zu verbessern, scheitern an der Bürokratie.“
Susanne Mantesberg versprach, diesen Vorschlag der Geschäftsleute bei der Verwaltung noch einmal aufzugreifen: „Die Stadt hat zwar Verträge mit der Deutschen Städtereklame, über die jegliche Werbung laufen muss, aber vielleicht lässt sich bei kleinen Schildern etwas machen.“
Christian Schnaubelt (Grüne) erinnerte an den Prüfauftrag des Bezirks, die Fußgängerzone für den Verkehr wieder zu öffnen und vor den Geschäften Parkbuchten anzulegen, um wieder mehr Kunden in die Innenstadt zu ziehen; eine endgültige Lösung gibt’s bislang nicht.
Klaus Kaeseler gehört mit seinem Rewe zu den Lebensmittelanbietern, die ehedem gen Lothringen-Fläche umsiedelten. Er nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die Kaufleute haben die Zeit verschlafen. Samstags schließen die Läden in der Fußgängerzone um 14 Uhr, wenn’s bei uns so richtig losgeht. Kein Wunder, dass die Stadt wie ausgestorben ist. Man muss eben den Löffel hinhalten, wenn’s Brei regnet.“ Marion Kensy räumte ein, dass tatsächlich ein Umdenken nötig sei: „Wir müssen flexibler werden, die Kundenbedürfnisse haben sich verändert.“
Hildegard Hein vermisst als Gertherin einen Ankerpunkt: „Es kann nicht Millionen kosten, den Marktplatz aufzuwerten“, während Günter Sieg (SPD, Bezirk Nord) vorschlägt, mit Freizeitangeboten zu punkten. Hans-Friedel Donschen (Freie Bürger) will Hausbesitzer und Vereine mit ins Boot holen, und appelliert: „Macht alle mit!“.
Susanne Mantesberg, Hans-Friedel Mikus, Lukas Krakow (FDP), Christian Schnaubelt – sie alle ermunterten ebenfalls die bis zu 80 umstehenden Bürger, mitzuwirken, um ihren Stadtteil Gerthe wieder mehr nach vorn zu bringen. „Wir haben den Stadtteilmarketing-Arbeitskreis, alle Parteien bieten Sprechstunden an“, so die Bezirksbürgermeisterin. Heinrich-August Mikus: „Jeder muss sich an die eigene Nase packen und Vorschläge machen; im Amtshaus nehmen wir die Ideen gern entgegen.“