Gerthe. . Zum 100. Jahrestag des verheerenden Grubenunglücks auf der Zeche Lothringen gedenken rund 200 Besucher der toten Bergleute am Ehrenmal in Gerthe

„Es war doch so“, sagt Werner Nettler und hält kurz inne. „Wenn wir damals 1000 Meter tief in die Grube gefahren sind, dann fuhr die Angst immer mit . . .“

Werner Nettler, heute erster Vorsitzender des Knappenvereins Glückauf Gerthe 1891, hat seine über 40-jährige Tätigkeit als Bergmann unter Tage unversehrt überstanden. Andere hatten da weniger Glück: An die verheerende Schlagwetterexplosion vor genau 100 Jahren auf der Schachtanlage I/II der Zeche Lothringen, bei der 114 Kumpel ihr Leben ließen, erinnert eine gut besuchte Gedenkveranstaltung am Ehrenmal auf dem Friedhof an der Kirchharpener Straße.

Über 200 Besucher gedenken der Toten feierlich und respektvoll, wenngleich sich direkte Nachfahren des Lothringer Grubenunglücks heute kaum noch ausmachen lassen. „Und wir haben genau gesucht“, meint Nettler. Mitglieder des Knappenvereins und der Sängervereinigung 1881 Gerthe begleiten die Gedenkfeier musikalisch.

Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz und Bezirksbürgermeisterin Susanne Mantesberg legen am Ehrenmal einen Kranz nieder. „Es ist kein Gras über die Geschichte gewachsen“, meint Pfarrer Johannes Romann von der Christuskirche Gerthe. „Wer diese Gedenkstätte besucht, wird für einen Augenblick innehalten müssen angesichts der Dimension dieser entsetzlichen Katastrophe.“

Gedicht von Heinrich Kämpchen passt wie kaum ein zweites

Zum Jahrestag hat Jürgen Niedringhausen vom Knappenverein Glückauf Gerthe den Blätterwald nach jenen Schlagzeilen durchforstet, die damals die Titelseiten des „Bochumer Anzeigers“ und des „Märkischen Sprechers“ prägten. Einige Passagen, die die Besucher der Gedenkfeier auch nach 100 Jahren noch kräftig schaudern lassen, trägt er daraus vor. Etwa das Schicksal jener Frau, die damals stundenlang auf der Zeche ausharrte, um den vermissten Vater ihrer Kinder vielleicht doch noch in die Arme schließen zu können. „Doch Vater kam nicht mehr heim“, liest Niedringhausen.

Ulrich Kind trägt ein Gedicht von Heinrich Kämpchen vor. Zum Zeitpunkt des Unglücks war Kämpchen zwar bereits einige Monate tot (er starb am 6. März 1912 in Linden). Doch das Gedicht passt zu der Lothringer Tragödie wie kaum ein zweites. „Wenn der Bergmann in die Grube fährt, weiß er nicht, ob er wiederkehrt“, heißt es dort. „Nicht umsonst hat man das Wort geprägt, dass er stets das Totenhemde trägt.“

Worte, die Werner Nettler sehr an seine eigene Zeit unter Tage erinnern. „Doch die Not hat uns dort unten in der Tiefe zusammen geschweißt“, meint er. „Denn wer immer nur Angst hat, kann nicht mehr klar denken. Wir waren richtig gute Kameraden.“