Grumme.

Es sind nicht einmal drei Kilometer Luftlinie, die diese eigene kleine Welt im Norden von der urbanen Innenstadt entfernt ist. So viel Natur und eine Luft, die nach all dem von den Abgasen aromatisiertem und den Häusern der Stadtmitte konserviertem Mief irgendwie wohltuend nach Heu und Stall riecht, vermutet man eher an den Randbezirken einer Großstadt wie Bochum. Doch es gibt sie am Prattwinkel 73, hinter dem sich ein Bauernhof verbirgt, auf einer der höchsten Stellen der Stadt.

Sobald man das Tor öffnet und einige Schritte in den staubigen Hof setzt, wird der Besucher von einem der zahlreichen Tiere empfangen. Schließlich handelt es sich um einen Mensch-Tier-Begegnungshof. Der Gast wird begrüßt vom Hausschwein Gerd, der in seiner blauen Holzlatten-Villa mit eigenem Garten wohnt, oder von einem der Hunde.

Aylen (11) und Linn (8) mit Ziege Pumpernickel.
Aylen (11) und Linn (8) mit Ziege Pumpernickel. © WAZ FotoPool

In Empfang genommen wird man aber auch von Angelika Tillmann-König, die den über 100 Jahre alten Hof vor drei Jahren übernahm, um daraus eine heilpädagogisch-soziale Begegnungsstätte zu machen. „Hier haben Menschen mit und ohne Behinderung die Möglichkeit, sich selbst und einander kennenzulernen“, beschreibt sie das Ziel der Einrichtung. „Tiere können jeden in tieferen Schichten des Bewusstseins erreichen. Sie sind Vermittler zwischen Menschen mit verschiedenen Persönlichkeiten.“

Stärkung der Motorik und Kognition

Gemeinsam mit ihren beiden hauptamtlichen Mitarbeitern, dem angehenden Sozialarbeiter Jahn Maschelski und der zukünftigen Heilpädagogin Inga Habicht, bietet sie verschiedene tiertherapeutische Maßnahmen und Konzepte an, die motorische, geistige und kognitive Fähigkeiten schulen und stärken sollen. Darüber hinaus leben fünf Menschen mit geistiger Behinderung auf dem Hof, die sich in die Arbeit dort einbringen.

Jahn Maschelski betreut verhaltensauffällige Jugendliche, die von den Behörden präventiv zum Hof geschickt wurden oder dort ihre Sozialstunden ableisten. Sechs Betreuungen sind es zurzeit. „Die Tiere helfen oft, das Eis zu diesen Jugendlichen zu brechen“, erzählt Maschelski in einem der staubigen Ställe, während ein Pferd und eine der Ziegen den Besucher neugierig beschnuppern. Ponys, Hühner, Enten, Gänse oder Esel helfen auch den Mitarbeitern, ausgeglichener zu werden. „Wenn ich abends noch die Tiere füttere, bevor ich nach Hause gehe, fühle ich mich einfach menschlich“, berichtet er, „die Arbeit mit den Tieren hat Zukunft.“

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Heute, es ist ein heißer, sonniger Tag, ist eine Kindergruppe aus den anliegenden AWO-Kitas zu Besuch. Auf einer der insgesamt drei weitläufigen Weiden treffen derweil Aylen (11) und Linn (8) auf die Ziegen Pumpernickel und Mathilda. Anfangs sind die beiden jungen Mädchen noch etwas zögerlich, wissen nicht genau, wie sie mit der forschen Art der beiden Paarhufer umgehen sollen. Doch nach einiger Zeit nähern sie sich an, füttern die Ziegen und erleben so ein Stück lebendiger Natur. „Angst hatte ich keine“, erzählt Aylen anschließend, „obwohl das schon außergewöhnlich für mich war.“ Die anderen Mädchen der Gruppe kümmern sich liebevoll und fürsorglich um die weiteren Pferde, reiten auf dem Reitplatz oder waschen sie mit Bürste und Wasserschlauch. Die Tiere genießen es sichtlich – genau wie ihre jungen Hobbypfleger.