Hordel. . Beim Streifzug durch die Dahlhauser Heide kann Heimatforscherin Petra Bödefeld in die Kiste von Geschichte und Geschichten der Siedlung greifen.
Die Karriere der über 100 Jahre alten ehemaligen Krupp-Siedlung „Dahlhauser Heide“ in den letzten gut 40 Jahren ist beachtlich: Von der verwahrlosten Arbeitersiedlung zum Vorzeige-Dorf als Teil der Route der Industriekultur. Was die ab 1906 als Gartenstadt errichtete Bergarbeiterkolonie auszeichnet, zeigte Heimatforscherin Petra Bödefeld bei einer Führung.
Herrenhaus steht noch immer am Rand der Kolonie
„Vor 130 Jahren gab es nur Wald“, erinnert Bödefeld. Dieser gehörte zum Rittergut „Dahlhausen“, dessen Herrenhaus von 1799 noch immer am Rande der Kolonie steht. Krupp kaufte 1890 den gesamten Besitz und baute von 1906 bis 1915 die Arbeitersiedlung. Arbeitsort: Die Zeche Hannover, deren erster Schacht ab 1857 abgeteuft wurde.
Neben den 339 Doppelhäusern mit Stall und Anbaufläche für Gemüse und Obst entstanden „zwei Schulen, zwei Kindergärten, zwei Konsumanstalten, ein im Krieg zerstörter Saalbau, eine Turnhalle und Beamtenwohnungen“, zählt die Heimatforscherin auf.
Einkaufen in Krupps Konsum
Einziehen durften nur Werksangehörige. Die Arbeiter erhielten die Doppelhaushälften günstig, die sie meist mit vielen Kindern bewohnten. „Im Gegenzug verpflichteten sie sich regelmäßig zur Arbeit zu gehen - Zwölf-Stunden-Schichten -, Ordnung zu halten und im Krupp’schen Konsum einzukaufen“, betont die 63-Jährige. Ergebnis, so Bödefeld: „Es gab eine breite Fürsorge. Aber die Steigerwohnungen waren so angelegt, dass sie mehrere Straßenzüge im Blick hatten.“ Ein Koloniewart sorgte ab 22 Uhr für Ruhe und wies die Kinder zurecht.
Über die Generationen wuchs der Zusammenhalt in der „Kappskolonie“, deren Name von den umliegenden Kohlfeldern des Bauern auf „Gut Dahlhausen“ stammt. Bödefeld: „Es war bei uns normal, dass Nachbarn auf einen Kaffee zu Besuch kamen oder wir Kinder bei anderen zum Abendessen waren.“ Das bestätigten die Mitwanderer Karin Koslowski und Wolfgang Hohmann, die aus der Siedlung stammen.
Ab 1978 Verkauf der Häuser
Zurück zu den Ställen an den Gebäuden, in denen inzwischen das Badezimmer ist. Samstags wurde früher in der Zinkwanne gebadet. 1962 gab es das erste Wasserklo. Alle hatten zunächst Plumpsklos, deren Fäkalien später die Felder düngten. „Das stank dann eine Woche“, erklärt die Führerin, während die Gruppe zum Rittergut und zurück streift. Auf die Frage von Besucher Bernd Schneider zur „Bergmannskuh“ antwortet sie: „Nein, Ziegen gab es nicht, nur Schweine, Hühner und Tauben.“
Schweine? Sie wurden im Herbst zu Hause geschlachtet. Wurst und Fleisch gab es für den Winter. Bödefeld: „Die letzte Schlachtung war 1955.“
Führungen durch die alte Arbeitersiedlung
Dahlhauser Heide, Kappskolonie, Unterhordel: Die von Krupp errichtete Arbeitersiedlung trägt viele Namen – je nach Sichtweise auf die Häuser, deren Markenzeichen die tief herabgezogenen Dächer sind.
Heimatforscherin Petra Bödefeld, bietet regelmäßige Führungen an, die nächste am Sonntag, 15. September, um 11 Uhr. Treffpunkt ist die evangelische Kindertagesstätte, Finefraustraße 2/Ecke Sechs-Schwestern-Straße.
Schranken an
den Zugängen
Besonders war, dass es Anfang der 50er Jahre Schranken an den Zugängen gab. Sie sollten die Kinder vor Autos schützen und unerwünschten Besuch fernhalten. Der erste Bus fuhr erst 1958 durch die Kolonie. Vorher musste man weit laufen bis zur Straßenbahn an der Dorstener Straße.
Krupp verkaufte den Häuserbestand an die Stadt
Die Veränderung für die Siedlung kam 1978. Krupp verkaufte den Häuserbestand an die Stadt Bochum. Diese bot sie den Kolonie-Bewohnern und deren Kindern mit Auflagen an, etwa wie das Haus von außen aussehen darf. Koslowski: „30 000 mussten wir zahlen und 100 000 D-Mark reinstecken, weil die Häuser Renovierungsstau hatten.“
NS-Zeit, Bombenkrieg, Schutzstollen, Bergmannswohnheime, Unglücke, 17 Vereine; viele Geschichten erzählte Bödefeld. Alle „Mitgeher“ bedankten sich bei der Heimatforscherin für spannende drei Stunden.