Mitte.. Ausgelassene Stimmung beim ersten Kortland-Nachbarschaftsfest. Alt und Jung verbringen auf der gesperrten Herner Straße gemeinsam einen netten Tag.
„Ich komme immer her, wenn was los ist“, sagt Margret Leyk (87). „Nur zum Freuen. Laufen kann ich nicht mehr so gut, aber ich sehe mir gerne die Leute an.“ Das Café Eden ist hierfür an diesem Tag der perfekte Ort – denn es ist Kortland-Fest, das erste seiner Art. Die Herner Straße ist von der Dorstener bis zur Widumerstraße für Flohmarkstände, Essen, Trinken, Musik und Spiele gesperrt. „Das ist meine Oma!“, sagt Daniel Paeben (35), Mitbetreiber des Café Eden, stolz. „Unser Verein setzt sich für den Erhalt der schönen Dinge ein.“
„Genauso habe ich mir das vorgestellt“, sagt Frauke Burgdorff. Die Stadtplanerin zog erst vor kurzem von Köln zurück nach Bochum. „Hier ist es entspannter.“ Als sie hörte, dass in ihrer neuen Nachbarschaft ein Straßenfest stattfinden sollte, bot sie sofort ihre Hilfe an. „Andere können Musik machen, Kunst produzieren. Ich habe die Straßensperrung organisiert.“ Auf dem Fest organisiert sie einen Tisch des „Nachbarschaftspicknicks“, das nach dem Jeder-bringt-etwas-mit-Prinzip funktioniert: „Dies ist der legendäre Kartoffelsalat von Frau Fischer. Dort steht eine Torte vom Friseur gegenüber. Und diesen Salat habe ich selbst gemacht.“
Finanziert wurde das Fest durch eine Crowdfunding-Aktion, die Frauke Burgdorff mit Öztürk Kalem startete. Der ehemalige Banker betreibt auf der Kanalstraße ein interkulturelles Crowdfunding-Unternehmen.
Die Bewohner der Herner Straße bieten veganen Döner, Straßen-Kicker, Siebdruck, Tombolas. Medizinstudentin Nadja Khalili (27) bietet Klamotten zum Tausch an. „Was übrig bleibt, geben wir an Flüchtlinge weiter.“
„Ich wohne inzwischen seit 13 Jahren hier, aber so etwas habe ich hier noch nicht erlebt“, sagt Maik Degenkolb (38).
Neben seiner Wohnung befand sich vor rund 100 Jahren die ehemals legendäre Gaststätte des Ferdinand Kortländer, der dem Viertel seinen inoffiziellen Namen gab. Prägend für das Viertel war nicht zuletzt die Zeche Präsident. Viele der Arbeiter kamen aus Polen. „Um 1900 herum war die Straße am Kortländer noch als ‚Klein-Warschau‘ bekannt“, berichten Janne Lenhart und Peter Gurack. Die Kunsthistorikerin und der Fotograf präsentieren in der Trinkhalle eine Ausstellung mit Fotografien aus dem Viertel von 1890 bis 1992. „Damals gab es hier polnische Banken, Schulen, eine polnische Zeitung, eine Gewerkschaftsvereinigung.“
Ein Kiez der Kulturen
Heute sind im Kortländer-Kiez noch viele andere Kulturen, Künste und immer mehr Szene-Lokale zu finden. „Ein Szene-Viertel soll das aber nicht werden“, sagt Tom Gawling (44), Mitbegründer der angesagten Trinkhalle. „Das Tolle ist ja, dass hier ganz verschiedene Leute zusammensitzen können.“