Hamme. . „Rundlauf“: Menschen stellen ihre Wohnung für Videos, Fotografie und Performance zurt Verfügung. Fest auf dem Bürgerplatz.

„Wir hätten nie gedacht, dass so viele Leute ihre Wohnung für Kunst, Videos oder eine Performance zur Verfügung stellen“, erzählt Samira Yildirim, die mit Guy Dermosessian und Julia Nietzsche das Programm für den diesjährigen Bochumer „Rundlauf“ zusammenstellte. Eine Welle von Angeboten überrollte sie nach dem Aufruf.

So zeigte die Food-Fotografin Pia Schmikl in der Küche von Timo Köster kunstvolle Arrangements aus Essenspaketen für Bundeswehrsoldaten. Eingeschweißtes Fleisch, Suppen, Brot, Jahrzehnte haltbar. „Einiges, was wir probiert haben, war von 1990!“, erzählt Schmikl. „So alt wie wir!“ Luna Ali liest dazu aus Erinnerungen eines deutschen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan.

Noch älter sind die Erinnerungen von Taguhi Housepyan, die vor vier Jahren aus Armenien zum Studium nach Deutschland kam. Mit der Bochumer Literatin Heide Rieck, dem Blogger Marcel Postert und Serdal Cakar, einem türkisch-armenischen Fliesenleger aus Herne, trägt sie Erzählungen ihrer Urgroßmutter vor, die den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren überlebte.

Menschen, die sprechen, und wie sie das tun, präsentiert Jörg Abel. Seine Fotografien zeigen, wie Münder sich öffnen und schließen: die Portraitierten lesen Gedichte des polnischen Lyrikers Tadeusz Dąbrowski, darunter Heike Rieck, der Journalist Uwe Rada und der Künstler Krzysztof Gruse.

Für Abel ist der Rundlauf auch eine Gelegenheit, seine neuen Räume zu zeigen. Wie Gruse, Gabi Moll und Uwe Siemens gehörte er zur Künstlergruppe Freies Kunst Territorium (FKT), die ihr Atelierhaus in Stahlhausen Ende 2014 aufgeben musste.

60 Wohnungsinhaber und Künstler beteiligt

Der „Rundlauf“ findet seit 2009 in Bochum statt; seit drei Jahren in der Speckschweiz in Hamme – dieses Mal mit über 60 Beteiligten an 30 Orten.

Alle Künstler und Wohnungsbesitzer wirkten honorarfrei an dem Kunst- und Stadtteilfestival mit. Über eine Förderung durch das Kulturbüro der Stadt Bochum konnten Programmhefte gedruckt werden.

Seit Jahren eine feste Größe in der Speckschweiz ist der Kiosk Okan. „Wenn man hier ein Bier kauft, kommt Yusuf immer aus seinem Hinterzimmer nach vorne“, erzählt Samira Yildirim. Heute läuft dort eine Videoinstallation der belgischen Künstlerinnen Lina Sieckmann und Miriam Gossing über Hochzeitskapellen im US-Bundesstaat Nevada. Der Fernseher steht auf einem zwei Meter hohen Kühlschrank, den Yusuf regelmäßig öffnet, um kalte Getränke zu verkaufen.

Mit diesen strömen die Leute zum Bürgerplatz, zu Musik, Waffeln und Flohmarktständen. Und am Abend zu Romy Schmid. Die künftige Leiterin des Prinz-Regent-Theaters zeigt die Vorpremiere mit Helge Salnikau und dem Biersomilier Thomas Maas „Filmriss“.

„Der Rundlauf hat das Viertel zum Leben erweckt“, sagt Hans Hanke, Mitbegründer der Bürgerinitiative Speckschweiz. Darum freut er sich, dass das „Nachbarschaftsfest Speckschweiz“ auf der Haldenstraße am gleichen Tag stattfindet.