Stiepel. . Vortrag, Lesung und viel Musik: Auch die vierte Ausgabe der „Langen Nacht der Kunst“ an der Dorfkirche präsentierte sich vielfältig und vom dargebotenen Programm her höchst ambitioniert.
Die gut 80 Besucher erlebten während der viereinhalb Stunden in der Kirche und im Gemeindehaus vor allem spannende Musikeindrücke, die von Kirchenmusik, über Klassik bis zu Jazz reichten.
Das Thema „Die Kunst der Fuge“ beschäftigte die Zuhörer zum Auftakt in der Kirche. Kantor und Kultursommer-Organisator Michael Goede (Orgel) und Sigrun Stephan (Cembalo) spielten dazu – im Wechsel und gemeinsam – entsprechende Werke von Johann Sebastian Bachs und seines Meisterschülers Johann Ludwig Krebs. Die Fugen kamen dabei mal tragend, mal lebhaft, mal dramatisch zu Gehör, so dass die Komponisten deren formale Form sehr unterschiedlich interpretierten.
Nach dem Einhören folgte die Theorie im Gemeindehaus. Pianist Klaus Zelm zeigte an zwei Beispielen, wie die Fuge funktioniert. „Nach dem Spiel des Motivs, erfolgt traditionell die Umkehrung der musikalischen Bewegungsrichtung“, so sein Tenor. Bach habe sich neue Spielräume geschaffen, indem er unter anderem die Notenreihe vergrößert (z.B. Verlängerung des Taktes von 8-tel auf 4-tel) sowie eine „Gegenstimme“ eingeführt habe.
Zelm rahmte damit den Vortrag von Dr. Manfred Keller zu „Kirche und Kunst - Eine funktionierende Verbindung?“ ein. Keller zeigte am Beispiel des Bildhauers und Zeichners Ernst Barlach auf, dass der Graben zwischen Kirche und Kunst nach Jahrhunderten der Entfremdung auch heute noch tief sei. Keller: „Darüber darf nicht hinweg täuschen, dass seit 2010 hier fast 100 Kunstschaffende ihre Werke themengebunden präsentiert haben.“ Sein Fazit: Nur in einem Dialog auf Augenhöhe – wie in Stiepel geschehen - könnten heute beide Bereiche zueinander finden.
Der dritte Teil „Die Kunst des Abschiednehmens - Musicalische Sterbensgedancken“ sollte dann passend auf dem historischen Kirchhof zwischen den Grabsteinen stattfinden. Ein kurzer Schauer vorab verhinderte das. Ulrike Hellermann (Sopran), Dominik Schneider (Blockflöte), Sabine Schneider (Querflöte) und Goede (Truhenorgel) präsentierten deshalb die vorgesehenen barocken Werke von Böhm, Telemann und Bach zu vorgerückter Stunde in der Kirche. Vor dem mittelalterlichen Fresko zur „Vertreibung aus dem Paradies“ in der Kirche passte das auch gut.
Eine kurze Lesung aus dem Buch „Safran, Sushi und Prosecco“ von Marcus Reckewitz (Goede) und das Kontrastprogramm „Künstlerische Freiheit - Swinging Bach“ mit jazzigen Interpretationen barocker Werke rundeten die Nacht ab. Oliver Schroer (Jazzpiano) und Matthias Bergmann (Trompete) zeigten im Wechsel zum Original bei „Aria“ und „Italienisches Konzert“, dass Barock auch modern gut klingt.