Der 16-Jährige Cherno Jah hat mit Hilfe des „Kindergartens Linden in Gambia e.V.” neue Trommelfelle bekommen.

Linden. Zum ersten Mal wird Cherno Jah bunte Ostereier in seinen dunklen Händen halten und als Muslim mit den Osterbräuchen der westlichen Welt konfrontiert. Cherno stammt aus dem kleinsten Land Afrikas, Gambia, an der Westküste. Er wohnt beim Lindener Ehepaar Gaby und Ernst Feller. Cherno ist schwerhörig und wurde vor elf Tagen im Zentrum für Mittelohrchirurgie in Lünen-Brambauer an beiden Ohren operiert. Das ist für den Jungen auch ein Geburtstagsgeschenk, denn am heutigen Samstag wird er 16 Jahre alt.

Zur Erinnerung: Eine Initiativgruppe rief 1998 in Linden ein Hilfsprogramm ins Leben und gründete am 18. Januar 1999 den Verein „Kindergarten Linden in Afrika - Partner für Afrika e.V.” Paten wurden gesucht, die den Verein finanziell unterstützen. Im November 1999 wurde der Grundstein für einen Kindergarten im gambianischen Dorf Jabang wurde gelegt. WAZ-Redakteur Dieter Czalla war dabei, eine WAZ-Ausgabe wurde mit in den Grundstein eingelassen. Ein Jahr später wurde der erste Bauabschnitt mit zwei Gruppenräumen eingeweiht, weitere zwei Jahre später ein weiterer Trakt mit zwei Gruppenräumen. Heute finden hier 120 Kinder Platz.

In diesem Kindergarten wurde Cherno 2003 aufgenommen. In den folgenden zwei Jahren lernte er Grundkenntnisse der englischen Sprache und fiel durch große Intelligenz auf. Sein Spitzname: „Einstein”. Heute besucht er die fünfte Klasse der Grundschule und ist Schulsprecher. Er wurde verspätet eingeschult, wahrscheinlich aus Geldmangel, denn die Schulbücher und die Schulkleidung müssen die Eltern bezahlen. Sein Schulweg erstreckt sich über eineinhalb Stunden, täglich zwei Mal vorbei am Kindergarten, in dem er einst war.

Die Hütte von Chernos Familie in Gambia wurde im Monsun zerstört und mit Spendenmitteln stabil wieder aufgebaut. Foto: Ernst Feller
Die Hütte von Chernos Familie in Gambia wurde im Monsun zerstört und mit Spendenmitteln stabil wieder aufgebaut. Foto: Ernst Feller © WAZ

Cherno hat schon früh über Schwerhörigkeit und Ohrenschmerzen geklagt. Da die Beschwerden anhielten, wurde er von der Kindergartenleiterin Therese zuletzt zu einem der wenigen Hals- Nasen- Ohrenärzte in Gambia gebracht. Länger als ein Jahr wurde er mit Antibiotika behandelt, leider ohne jeden Erfolg.

Nach umfangreichen Recherchen und Rücksprache mit deutschen Fachärzten wurde die Behandlung im September 2008 in Gambia unterbrochen. Nicht alle Ohrenkrankheiten sind durch Antibiotika heilbar. Vielmehr kann die Entzündung in die Innenohrknochen wandern und zu dauernder, vollständiger Taubheit führen. Schließlich kamen die Verantwortlichen in Deutschland zu der Entscheidung, das Kind hier untersuchen zu lassen.

Daumenabdruck als Bestätigung

Wieder war es das Ehepaar Feller, das federführend die Aktion in die Hände nahm. Kindergartenleiterin Therese holte die schriftliche Einwilligung der Eltern ein, ein Daumenabdruck vom Büro-Stempelkissen diente als Bestätigung für die Reiseerlaubnis und die Behandlung. Beide Eltern sprechen nur die Stammessprache Fula und können nicht lesen und schreiben.

Kostenlose Unterstützung

Vor vier Wochen brachte Gaby Feller ihren Schützling aus Gambia mit. Ein Datumsfehler im Visum hat die Ausreise um eine Woche verzögert und verteuert. Dann die Frage am Zoll warum kein Elternteil mit dabei war. Antwort: Die Eltern sprechen nur die Stammessprache Fula, Cherno auch Englisch, kann dolmetschen.

Die erste kostenlose Untersuchung durch die Ohrenärztin Dr. Sanchis Sario aus Weitmar-Mark ergab, dass beide Trommelfelle weitgehend fehlen, wohl eine Folge wiederholter, verschleppter Mittelohrentzündungen. Dr. Schimanski im Zentrum für Mittelohrchirurgie in Lünen-Brambauer setzte den Eingriff schon zwei Tage später an einem sonst operationsfreien Tag an. Alle Ärzte und Helfer stellten sich kostenlos zur Verfügung. Es wurden neue Trommelfelle aus Eigensubstanz eingesetzt. Gaby Feller wurde ein Bett zur Verfügung gestellt, dafür hatte Klinikleiter Christian Scholz gesorgt hat. In etwa sechs Wochen, so lange dauert die Nachbehandlungszeit, bringt sie ihren Schützling nach Gambia zurück. Eine frühere Rückkehr könnte eine kritische Situation durch die Druckunterschiede beim Flug für die operierten Ohren herbeiführen. Manfred Hülsmann