Linden.

„Berg und Tal“ heißt ein Tagesangebot für Senioren: Immer mittwochs treffen sich rund 15 ältere Menschen, die noch etwas erleben und „unter die Leute“ wollen, in der Augusta-Kranken-Anstalt in Bochum-Linden.

Kochen, Essen, Spielen und Malen – das ist nur ein Teil der möglichen Angebote, auf die sich die Senioren freuen. Das Wichtigste aber sind die Gespräche bei einem Tässchen Kaffee. „Für Gymnastik haben wir gar keine Zeit“, lacht eine Dame. „Quatschen ist wichtiger.“ Es sei einfach ein gutes Gefühl, noch etwas zu tun, noch soziale Kontakte und Kommunikation zu haben. Wobei die Namen der Mitmenschen nicht wichtig sind. „Wer neu in die Gruppe kommt“, lacht Ergotherapeutin Anja Langmesser, „kann sich doch die vielen Namen nicht merken. Aber das ist gar nicht schlimm. Da hätten auch junge Menschen noch ihre Probleme.“

„Berg und Tal“ wendet sich an Menschen ab 60 Jahre, die im Alltag keine oder nur wenig Hilfe benötigen und nicht demenziell erkrankt sind. Die Gruppe will der Vereinsamung vorbeugen, die ein Risikofaktor ist für das Entstehen körperlicher und seelischer Erkrankungen.

Dr. Hans-Otto Müller, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Gerontopsychiatrie in Bochum-Linden, der dieses Angebot bereit hält, bringt es messerscharf auf den Punkt: „Gesundheit, Finanzen und Einsamkeit. Das sind die wichtigsten Themen, mit denen sich alte Menschen beschäftigen.“ Vor allem dann, wenn sie bereits einsam sind, allein leben und keine Ansprache mehr haben.

„Ihre vertrauten Menschen, die ihnen Sicherheit gegeben haben“, erklärt Müller, „sind verstorben.“ Es sei dann enorm schwer, neue soziale Kontakte aufzubauen, zumal man ja auch keine Erfahrung damit habe. „Die haben Kinder erzogen, sich ein Leben lang nichts gegönnt – und Freizeitaktivitäten im heutigen Sinn haben sie früher nicht gekannt.“

„Ergotherapie“, sagt Anja Langmesser, „ist deshalb eine der tragenden Säulen der Gerontopsychiatrie, der Alterspsychiatrie.“ Es gehe darum, mit sinnvoller Beschäftigung und Ansprache die Menschen aus der Einsamkeit, aus der Depression herauszuholen. Und dies gelinge oft innerhalb weniger Stunden. Immer vorausgesetzt, dass keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege.

Es gelte, dem Tag Struktur zu geben und vor allem irgendetwas zu tun, sagt Dr. Müller. „Es hat keinen Sinn, zu Hause herumzusitzen.“ Müller war bis 1996 Chefarzt der Geriatrie an der Augusta-Kranken-Anstalt in Linden und damit Vorgänger des jetzigen Chefs Dr. Olaf Hagen. Dass Müller jetzt Vereinsvorsitzender ist, empfindet Schwester Mechthild Kolwitz, Leiterin der Station GP2 am Augusta, „als echten Segen. Er bewegt viel, weil er viele Menschen kennt – und weil er viel macht.“

Dabei ist der Ex-Chef mit seinen äußerst agilen 78 Jahren selbst im allerbesten Rentenalter. Aber Müller steht mitten im Leben: Er führt eine Geriatrische Praxis und stellt sich immer wieder neuen Herausforderungen. Auf der A40 zum Beispiel hatte er beim StillLeben 2010 einen Bücherstand aufbauen wollen, was dann allerdings an für ihn unüberwindbaren logistischen Problemen scheiterte.

Und dann war da noch der Computer-Kurs an der Volkshochschule. „Der war für Senioren angekündigt worden. Aber dann waren zu wenig Teilnehmerin passendem Alter da, und – schwupps – saßen wir mit jungen Leuten zusammen, die natürlich ein viel höheres Tempo vorlegten als die Alten.“ Da sei auch er, gibt er zu, ins Flattern gekommen.

Bei Berg und Tal gibt es kein Flattern. Höchstens ein „Schwärmen“: Die Senioren schwärmen schon im September zum nächsten Ausflug aus – und danach kann dann wieder von einem tollen Tag geschwärmt werden.