Kontakte, Kommunikation und kreative Beschäftigung bietet das Tagesangebot "Berg und Tal" der Augusta-Geriatrie für Senioren. Vorbeugen vor Vereinsamung

"Gesundheit, Finanzen, Einsamkeit", darum dreht es sich für viele alte Menschen, weiß Hans-Otto Müller (hinten), der langjährige Geriatrie-Chef, aus Erfahrung. Und: "Es hat keinen Sinn, zu Hause herumzusitzen." Fotos: WAZ, Eberhard Franken © bei Eberhard Franken

Linden. "Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch", sagt Faust in Teil eins des Klassikers. Obwohl das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen ist, taugt es dennoch für "Berg und Tal", das Tagesangebot des Augusta für Seniorbürger: Immer mittwochs treffen sich bis zu 15 ältere Menschen, die noch etwas erleben und "unter die Leute" wollen, im 2. Obergeschoss der Augusta-Kranken-Anstalt an der Dr.-C.-Otto-Straße.

Kochen, Essen, Spielen und Malen - nur ein Teil der möglichen Angebote, auf die sich die Senioren freuen. Das Wichtigste aber sind die Gespräche bei einem Tässchen Kaffee. "Für Gymnastik haben wir gar keine Zeit", lacht eine Dame. "Quatschen ist wichtiger."

Denn hier kommt das Gefühl ins Spiel. Das gute Gefühl, noch etwas zu tun, noch soziale Kontakte und Kommunikation zu haben. Wobei die Namen der Mitmenschen in der Tat beinahe "Schall und Rauch" sind. "Wer neu in die Gruppe kommt", lacht Ergotherapeutin Anja Langmesser, "kann sich doch die vielen Namen nicht merken. Aber das ist gar nicht schlimm. Da hätten auch junge Menschen Probleme."

"Berg und Tal" wendet sich an Menschen ab 60 Jahre, die im Alltag keine oder nur wenig Hilfe benötigen und nicht demenziell erkrankt sind. Die Gruppe will der Vereinsamung vorbeugen, die ein Risikofaktor ist für das Entstehen körperlicher und seelischer Erkrankungen.

Dr. Hans-Otto Müller, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Gerontopsychiatrie in Bochum-Linden bringt es messerscharf auf den Punkt: "Gesundheit, Finanzen und Einsamkeit. Das sind die wichtigsten Themen, mit denen sich alte Menschen beschäftigen." Vor allem dann, wenn sie bereits einsam sind, allein leben und keine Ansprache mehr haben.

"Ihre vertrauten Menschen, die ihnen Sicherheit gegeben haben", erklärt Müller, "sind verstorben." Es sei dann enorm schwer, neue soziale Kontakte aufzubauen, zumal man ja auch keine Erfahrung damit habe. "Die haben Kinder erzogen, sich ein Leben lang nichts gegönnt - und Freizeitaktivitäten im heutigen Sinn haben sie früher nicht gekannt."

"Ergotherapie", sagt Anja Langmesser, "ist deshalb eine der tragenden Säulen der Gerontopsychiatrie, der Alterspsychiatrie." Es gehe darum, mit sinnvoller Beschäftigung und Ansprache die Menschen aus der Einsamkeit, aus der Depression herauszuholen. Und dies gelinge oft innerhalb weniger Stunden. Immer vorausgesetzt, dass keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege.

Es gelte, dem Tag Struktur zu geben, etwas zu tun, sagt Dr. Hans-Otto Müller. "Es hat keinen Sinn, zu Hause herumzusitzen." Müller war bis 1996 Chefarzt der Geriatrie in Linden. Dass er jetzt Vereinsvorsitzender ist, empfindet Schwester Mechthild Kolwitz, Leiterin der Station GP2 am Augusta, "als echten Segen. Er bewegt viel, weil er viele Menschen kennt - und weil er viel macht."

Und da ist Erich Dahlbeck, der locker für "knapp über 60" durchgehen würde, aber schon "die 80" erreicht hat. Er ist im hohen Alter noch ans Kochen gekommen und Schwester Mechthild bescheinigt ihm "exzellente Computer-Kenntnisse". Dass bei "Berg und Tal" regelmäßig gekocht wird, ist seiner Initiative zu verdanken.

Er malt sehr gern - und ist der einzige Gast hier, der seinen Namen nennt. "Dr. Müller", sagt er, "hat mir vor 20 Jahren im Augusta das Leben gerettet." Ein Leben, das er - auch dank Berg und Tal" - auch mit 80 Jahren noch sehr genießt.

"Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist, nenn es dann, wie du willst, Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut."