Fall Justin: Staatsanwalt stellt Ermittlung gegen Sozialarbeiterin des Jugendamtes ein. Sie muss 1500 Euro an ein Kinderhospiz zahlen
Der Fall des in der Wanne zu Tode verbrühten Kleinkindes Justin hatte im November 2005 in ganz Deutschland Aufsehen erregt. Wegen Mordes durch Unterlassen wurde Justins Mutter und ihr Lebensgefährte im März 2007 verurteilt, sie bekam elf Jahre Haftstrafe, er lebenslänglich. Im Oktober 2007 bestätigte der Bundesgerichtshof die Urteile des Bochumer Schwurgerichts, verwarf die Revision.
Jetzt schloss die Bochumer Staatsanwaltschaft die letzte Akte zu diesem Fall: Sie stellte ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen gegen eine 30jährige Sozialarbeiterin des Bochumer Jugendamtes wegen geringer Schuld ein. Gegen eine Auflage: Sie muss 1 500 Euro an einen Kinderhospizverein zahlen.
Die Sozialarbeiterin war damals für die Beurteilung von Fällen mutmaßlicher Kindeswohlgefährdung zuständig - und zwar bei der Familienbetreuung im Sozialen Dienst. Ihr Versagen: Als eine Krankenhausärztin dem Jugendamt einen dringlichen Brief schrieb, weil sie am Körper des kleinen Justin Spuren früherer Misshandlungen entdeckt habe, blieb der Alarm-Brief bei der Sozialarbeiterin unbeachtet liegen. Ein Versäumnis, das vom Schwurgericht im Prozess gegen die beiden Mordbeschuldigten zur Sprache kam.
Wie Oberstaatsanwalt Wolfgang Dörsch schilderte, hatte seine Behörde bei ihren Ermittlungen gegen die Sozialarbeiterin einen Verwaltungsexperten als Gutachter eingeschaltet. Der war nach Beurteilung der damaligen Abläufe im Jugendamt schließlich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Sozialarbeiterin nur geringe Schuld treffe. Dörsch: "Er hat sich deshalb dafür eingesetzt, dass das Verfahren eingestellt wird." Diesem Rat sei die Staatsanwaltschaft schließlich gefolgt. Auch das zuständige Amtsgericht habe für diese Lösung die Zustimmungserklärung erteilt.
Dass das Verfahren gegen die Sozialarbeiterin so spät in Gang kam, hing mit dem Mordprozess zusammen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen im Jugendamt so lange ruhen lassen, bis das Urteil des Schwurgerichts vorlag. Davon war abhängig, unter welchem strafrechtlichen Vorwurf gegen die Stadtbedienstete zu ermitteln war.
Wie Stadtsprecher Thomas Sprenger auf Anfrage schilderte, war die Sozialarbeiterin wegen ihres Versagens disziplinarisch ermahnt worden. Sie wurde versetzt, allerdings innerhalb des Sozialen Dienstes.