Der Wahlkampf geht in die heiße Phase, kaum noch sind eine Laterne oder Plakatwand zu finden, von der nicht das Konterfei eines Kandidaten für die Kommunalwahl herab lächelt. Doch haben die omnipräsenten Grinsegesichter tatsächlich einen Einfluss auf die Wahlentscheidung?
Lassen sich Papier und Kleister zu Stimmen machen? Für die WAZ macht sich Ulrich Sollmann – Psychotherapeut, Sozialwissenschaftler und Politikberater – Gedanken über die aktuellen Bild-Kampagnen der Spitzenkandidaten von SPD und CDU.
„Die OB-Wahl ist von emotionalen Momenten abhängig, ein gutes oder schlechtes Wahlkampfplakat macht eine Menge aus”, erläutert Sollmann. Vor allem seitdem das Stadtoberhaupt direkt und ohne Stichwahl gekürt wird. „Eine Wahl, ein Schuss. Der muss sitzen”, formuliert der Sozialwissenschaftler den Anspruch an die Parteien. Und da haben die Sozialdemokraten nach seiner Ansicht doch deutlich die Nase vorn. Die Bilder von Ottilie Scholz wirken stimmiger und geordneter, die dargestellten Elemente harmonieren auf ihren Wahlplakaten. „Sie wirkt geöffnet, interessiert aber auch resolut und zupackend”, urteilt Ulrich Sollmann. Auf den Bildern verströmt die Oberbürgermeisterin Energie und Gestaltungswillen.
Unverbindliches Lächeln
Ihr Konkurrent Lothar Gräfingholt mache dagegen eine etwas unglückliche Figur. Zwar lächelt er freundlich, doch aber auch sehr unverbindlich. Dynamik oder Entschlusskraft ließen sich mit diesem milden Lächeln schwer in Einklang bringen. „Attribute, die der Wähler von seinen Kandidaten verlangt”, sagt Sollmann. Besonders deutlich wird der Unterschied an zwei Gruppenbildern der großen Parteien. Am Westring stehen sie direkt nebeneinander. Links Lothar Gräfingholt mit seiner Entourage, alle stehen auf einer grünen Wiese, den Hintergrund nimmt die Universität ein. „Menschlich. Mutig. Modern” steht unter dem Motiv. „Handwerklich schlecht”, kritisiert Sollmann. Die Uni im Hintergrund dominiere, ja erdrücke das Motiv, ohne dass dem Betrachter ein Zusammenhang klar würde. Fataler noch findet Sollmann die Körpersprache des CDU-Kandidaten, der die Hände zu „Fäustchen” geballt hält. „Das ist nicht mutig und nicht modern, diese Kinderfäustchen wirken einfach nur kraftlos.”
Der Betrachter steht dabei, nicht davor
Das Nachbar-Plakat zeigt Ottilie Scholz in einer Gesprächsszene. Mehrere Personen umgeben sie. Der Platz vorne links ist frei. „Wie für den Betrachter reserviert, ihm wird suggeriert, dabei zu sein und nicht nur davor zu stehen”, beschreibt Ulrich Sollmann die Wirkung. Kritischer sieht er dagegen das vor allem in der Innenstadt häufig zu findende Portrait der SPD-Kandidatin.
Darauf blickt sie streng, fast abweisend, hat die Lippen zusammen gepresst. „Hier ist sie in der Reserve, steht ihrem Gegenüber skeptisch gegenüber”, wertet Sollmann. Mancher Betrachter könne sich daher fragen, was führt sie eigentlich im Schilde? Dennoch hebe sich auch dieses Motiv von den Bildern des Konkurrenten ab. Gräfingholt erscheine einfach zu unverbindlich. „Wie ein netter Nachbar”, sagt Sollmann, „man möchte ihm von seinem Urlaub erzählen, nicht von dringenden Anliegen.”
Ulrich Sollmann
Seit über 15 Jahren widmet sich Ulrich Sollmann der Analyse von politischer, non-verbaler Kommunikation. Zu seinen Untersuchungen über Körpersprache, Gestik und Mimik der Mächtigen sind mehrere Bücher erschienen, zudem ist er regelmäßig in politischen TV-Magazinen zu Gast. Doch der 60-jährige betreibt nicht nur wissenschaftliche Forschung. Seine Erkenntnisse stellt er auch zur Verfügung, indem er Führungskräfte coacht und führende Politiker berät. Neben seinen Tätigkeiten als Analytiker und Berater betreibt Ulrich Sollmann in Bochum zudem eine Psychotherapeutische Praxis. www.sollmann-online.de