Bochum. Der große Traktor-Konvoi ist ohne größeres Chaos durch Bochum gezogen. 250 Fahrzeuge nahmen teil. Unfälle gab es nicht.
So einen großen Traktoren-Lindwurm hat Bochum wohl noch nie gesehen. Eine Stunde lang zog er am Montag (25.) aus Essen kommend quer durch das Bochumer Stadtgebiet bis nach Dortmund, um gegen zunehmende Auflagen der Politik zu demonstrieren.
Unfälle gab es nicht. Wohl kam zu erheblichen Verkehrsstörungen, etwa auf dem Süd- und Westring. „Das befürchtete ,Große Chaos’ blieb aber aus“, sagte ein Polizeisprecher.
Nach polizeilichen Schätzungen bestand der Demo-Zug aus rund 250 Traktoren und war sechs Kilometer lang. Er zog 18 Kilometer weit von West nach Ost: vom Wattenscheider Hellweg über den nördlichen Innenstadtring, über die Castroper Straße, den Harpener Hellweg bis zur Provinzialstraße.
„Niemand soll es je vergessen, Bauern sorgen für das Essen“
Um 16.30 Uhr, zweieinhalb Stunden später als geplant, startet die Kolonne an der Kreuzung Wattenscheider Hellweg/Berliner Straße und fährt sehr flott, mit bis zu 40 km/h, in Richtung Innenstadt. Mächtige Maschinen sind darunter, so hoch wie Lastwagen. Die Fahrer hupen was das Zeug hält.
Auf Plakaten an der Frontseite steht: „Lieber Verbraucher! Soll mein Kind den Hof fortführen?“, „No Farmers. No Food. No Future“, „Niemand soll es je vergessen, Bauern sorgen für das Essen“, „Sorry, aber sonst werden wir nicht gehört“, „Achtung! Hier fahren Arbeitsplätze. Noch.“ und „Ideologie macht nicht satt!“ Ein Traktorfahrer wurde mit seinem Slogan sogar fast philosophisch: „Ohne uns kein Wir.“
Teilweise sind ihre Parolen auch rustikal. Der Bauer nimmt eben kein Blatt vor den Mund: „Das Agrarpaket enthält mehr Scheiße als mein Gülle-Keller.“
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Weil Kreuzungen gesperrt werden, sind einige Autofahrer sauer. Sie ignorieren einfach die Umleitung der Polizisten, die auf der Fahrbahn stehen. Andererseits: Um auf die Bedeutung der Landwirtschaft hinzuweisen, verschenken einige Bauern kleine Tüten mit Möhren. Aufschrift: „Gutes aus Deutschland – Der Allrounder zum Snacken und Dippen“.
Anwohner säumten die Straßen und filmten die Trecker mit Handy
Die von viel Polizei flankierte Demo wirkt teilweise wie eine Traktor-Parade. Allein zwischen Wattenscheid und der Innenstadt haben sich sicher mehr als 1000 Schaulustige auf den Gehwegen versammelt, viele winken den Landwirten zu. Es ist ein wenig wie beim Karneval, nur dass es diesmal um eine ernste Angelegenheit geht. Die Menschen haben ihre Handys gezückt und filmen den Konvoi. Einige sind in ihren Hauspantoffeln und mit Winterjacke vor die Tür gekommen, um sich das Spektakel anzuschauen, viele applaudieren, finden die Aktion der Bauern ganz offensichtlich gut. Darunter viele Kinder, von denen einige wohl zum ersten Mal eine solch riesige Versammlung von Landwirtschaftsfahrzeugen sehen können.
Wir wollen keine Verbote über unseren Kopf hinweg
Unter den Treckerfahrern, die auch von weit außerhalb kommen, ist auch der Nebenerwerbslandwirt Sven Hagenfeld (23) aus Stiepel. „Wir wollen, dass die Politik mit uns, im Einklang mit der Landwirtschaft, spricht und nicht über unseren Kopf hinweg Verbote erlässt und Auflagen macht.“ Er nennt noch ein weiteres Motiv für diesen mächtigen Demozug. „Viele Leute wissen gar nicht mehr, woher die Lebensmittel kommen. Und welche Arbeitsgänge dahinter stecken, auch an Feier- und an Sonntagen. Das ist wie im Krankenhaus; das kann man auch nicht freitagabends abschließen und am Montagmorgen wieder aufschließen.“
Mehr als 100 Anrufer beim Bürgertelefon der Polizei
Wie die Stadt auch hatte die Polizei ab 8 Uhr ein Bürgertelefon eingerichtet.
Mehr als 100 Anrufer hatten dieses genutzt, um sich bei der Planung ihrer individuellen Heimfahrt in den Feierabend beraten zu lassen, so die Polizei.
Auch der Stiepeler Erntehelfer Justus Ludwig (18) ist dabei. Er beklagt, dass über Landwirte „hergezogen“ werde von Leuten, die „kein Wissen von der Landwirtschaft mit sich bringen“. Das betreffe den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Dünger und Mist. Das Klischeebild sei „der blöde Bauer auf dem Misthaufen“. Dabei arbeiteten in der Landwirtschaft sehr viele gebildete und gut ausgebildete Menschen.
Bürgertelefone eingerichtet
Auch die Bogestra war betroffen, musste Linien zeitweise stoppen. Einige Schulen beendeten den Unterricht früher, damit die Schüler noch vor Eintreffen der Traktoren sicher ihren Heimweg antreten können.
Gut möglich, dass dies nicht die letzte Trecker-Demo in Bochum war. Auf einem Plakat an einem Fahrzeug stand: „Wir kommen wieder. Keine Frage.“