Ost. . Bezirksbürgermeisterin Andrea Busche (SPD) tritt in die großen Fußstapfen ihres Vaters Norbert.Sein Rat ist ihr willkommen, doch will sie ihren eigenen Weg gehen – und die Bürger mitnehmen
Auf den ersten Blick sieht das Büro in der ersten Etage des Amtshauses noch immer so aus wie zu Zeiten von Bezirksbürgermeister Norbert Busche. Nachdem sich dieser im Mai nach 30 Jahren von der politischen Bühne verabschiedete, sitzt nun seine Tochter Andrea (43) an Papas früherem Schreibtisch. Ein Blümchen steht drauf, eine Kerze. Und an den Wänden hängen jetzt alte Bilder von Langendreer. „Die habe ich auf dem Dachboden des Amtshauses gefunden und gegen Papas ausgetauscht“, verrät Andrea Busche. „Oh, wenn er das erfährt“, schmunzelt sie.
An Ihrem Schreibtisch fehlt ein Computer . . .
Busche: Ja, leider, wir arbeiten hier noch mit Papier. Wird Zeit, dass die Bezirke besser ausgestattet werden - so wie das Rathaus.
Wie kamen Sie zur Politik? Zwangsläufig durch Ihren Vater?
Logisch, ich bin durch ihn da hineingewachsen. Das politische Interesse entwickelte sich aber vor allem während meiner Schulzeit in der Erich-Kästner-Gesamtschule. Ich wurde da sehr durch meine Lehrer geprägt, allen voran von Paul Möller, der sich ja jetzt mit „Langendreer hat’s“ sehr für unseren Stadtteil einsetzt. Es war schon damals mein Ziel, etwas bewegen zu können. Wir haben demonstriert, wenn uns was in der Schule störte. Ich habe mich nie damit zufrieden gegeben, alles hinzunehmen. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Wie sah Ihr politischer Werdegang aus?
Mit 16 bin ich in dem SPD-Ortsverein Langendreerholz beigetreten. Damals musste man sich gewaltig anstrengen für den ersten Posten. Mit 19, 20 wurde ich Beisitzerin, später auch im Stadtbezirk. Damals hätte ich aber nie gedacht, dass ich mal meinen Vater beerben würde. Die ersten Gedanken daran entstanden vor zwei, drei Jahren.
Papas Rat kann gerade in Verwaltungsangelegenheiten sehr hilfreich sein
Und nun ist es so gekommen. Wie wichtig und willkommen ist Ihnen der Rat Ihres Vaters?
Sehr wichtig. So viel Erfahrung, wie er hat, kann ich ja gar nicht mit in dieses Amt bringen. So kenne ich mich noch nicht so gut mit den Verwaltungsstrukturen aus; da kann sein Rat sehr hilfreich sein. Aber ich will und muss auch meinen eigenen Weg gehen – sonst hätte mein Vater ja gleich im Amt bleiben können.
Wie sieht Ihr Weg denn aus?
Ich bin viel unterwegs, hole die Leute lieber ab, als im Büro zu sitzen und auf sie zu warten. Die Bürgerwoche etwa bot sich dafür prima an. Um gemeinsam etwas zu erreichen, müssen wir uns im Stadtteil gut verzahnen. Das klappt schon sehr gut. Früher gab es zum Beispiel keine Initiativen wie „Langendreer hat’s“. Wichtig ist: Lokale Aktive dürfen sich nicht als Konkurrenten sehen. Als meine Aufgabe sehe ich es, alle mit ins Boot zu holen.
Sie kündigten vor der Kommunalwahl an, auch Jugendliche und Kinder verstärkt ansprechen zu wollen.
Deshalb biete ich vor der Bürgersprechstunde auch Kindern und Jugendlichen an, sich mit ihren Problemen an mich zu wenden. Aber damit ist es nicht getan. Ich möchte auch in den Unterricht gehen und über die politischen Gremien berichten, damit Schüler erkennen, wie sie Einfluss nehmen können.
Sie haben selbst drei Kinder (neun, dreizehn und 15). Sind sie politisch interessiert?
Das bleibt nicht aus. Die Große ist sogar mit 14 schon in die SPD eingetreten.
Welche sind die wichtigsten Themen, denen Sie und Ihre politischen Mitstreiter sich vordringlich widmen müssen?
Die geplante Ostpark-Bebauung, die künftige Nutzung der Opel-Flächen und der Stadtumbau Ost für Werne und den Alten Bahnhof. Es ist natürlich schade, dass es in diesen Sozialräumen so große Probleme gibt, dass wir ganz vorn mit dabei sind. Aber es ist gut, wenn es darum geht, Gelder beantragen zu können. Das wäre eine riesige Investition und das Ganze sicher nicht nur auf die nächsten sechs Jahre ausgelegt.
Wie stehen Sie dem „Ostpark“ – in Altenbochum und Laer sollen bis zu 1100 neue Wohneinheiten entstehen – gegenüber?
Grundsätzlich positiv. Aber es ist wichtig, dass nah an den Leuten vor Ort geplant wird. Die Menschen in Laer haben sich bis jetzt sehr aktiv an den Planungen beteiligt und wirklich konstruktive Vorschläge gemacht. Die sollten sich dann auch wieder finden. Zum Beispiel könnte die Stadt nach meiner Meinung Geld sparen, wenn sie einen akzeptablen Standort für den Sportplatz findet und dort direkt baut, statt mit Zwischenlösungen zu arbeiten.
Wie stehen Sie zum Anschluss Langendreers an die Straßenbahnlinien 310 und 302? Die aktuellen Baustellen rauben vielen Leuten den letzten Nerv.
Wenn die Linie fertig ist, bin ich absolut dafür. Und das, obwohl ich selbst Betroffene bin. Wir wohnen auch an der Baustelle, mitunter bebt das ganze Haus. Ich kenne also auch die Kehrseite. Aber viele wissen nicht, dass nicht nur die Schienen verlegt werden, sondern auch die ganze Infrastruktur gleich mitgemacht wird. Arbeiten, die ohnehin dringend nötig gewesen sind. Das erkläre ich den Leuten auch immer wieder gerne im Gespräch. Und viele konnte ich auch schon überzeugen. Gleichwohl versuche ich auch zu helfen, wo ich kann; etwa dass auf die Schulwegsicherung angesichts der sich immer wieder verändernden Baustellen geachtet wird.
Runder Tisch gegen Rechts soll bestehen bleiben
In Langendreer leitete Ihr Vater regelmäßig den Runden Tisch gegen Rechts. Hat er Fortbestand?
Auf jeden Fall! Diese Treffen müssen fortgesetzt werden. Es wäre der falsche Weg, sich erst zusammen zu setzen, wenn etwas passiert ist.
Apropos Rechts: Wie wollen Sie mit dem in den Bezirk gewählten Kandidaten von Pro NRW umgehen?
Von „nicht freundlich“ bis „gar nicht“, ganz einfach, weil ich die Ideologie verachtenswert finde. Immerhin kann er ohne Fraktion keine Anträge stellen. Mal abwarten, wie sich das alles entwickelt.
Welche Schandflecke gilt es im Osten in erster Linie zu entfernen?
Da fällt mir vor allem natürlich das abgebrannte Zwischenfall-Gebäude ein. Wichtig ist auch, dass für Suntum’s Hof am Ümminger See ein Konzept erstellt wird.
Sie sind sehr aktive Facebook-Nutzerin. Wie wichtig sind Ihnen die modernen Medien?
Man muss auch dort sein Ohr haben, darf sie aber auch nicht zu wichtig nehmen. Immerhin erreicht man darüber eine andere Gruppe von Leuten. Facebook ist schon eine nützliche Kontaktbörse. Und man muss ja auch mit der Zeit gehen: Früher gab es Frühschoppen, heute Facebook . . .
Was macht „Ihren“ Osten so lebens- bzw. liebenswert? Rühren Sie mal die Werbetrommel . . .
Ich finde die Menschen hier sehr liebenswert. Geradeaus, ein bisschen kantig, aber herzlich. Und wir haben hier ganz tolle Macher mit vielen Ideen. Dazu gibt es im Osten interessante Ecken: Den Ümminger See zum Beispiel, auch der Bahnhof Langendreer als Kulturzentrum ist großartig.
Wenn es darauf ankommt, wird kontruktiv zusammengearbeitet
Wie bewerten Sie die Koalition mit den Grünen?
Als sehr gut. Es ist ein super Verhältnis, eine tolle Zusammenarbeit, die wir in gewohnter Weise fortführen wollen.
Wie sehen Sie die Opposition? Als politische Gegner oder doch eher als Mitstreiter zum Wohle des Bezirks? Zuletzt schien es, als gebe es leichte Spannungen mit der CDU . . .
Dafür sind wir ja auch in unterschiedlichen Parteien. Im Ernst, es kann ja nicht immer alles eitel Sonnenschein sein, aber wenn es darauf ankommt, etwas Gutes für den Stadtteil zu erreichen, reden wir auch sehr konstruktiv miteinander. Ganz wichtig für mich ist: In der Sache streiten darf man. Aber – auch etwas, was ich von meinem Vater gelernt habe – man muss hinterher immer noch zusammen ein Bier (oder Wasser) trinken können.
Was muss in dieser Amtszeit passieren, damit Sie sie in sechs Jahren als erfolgreiche bezeichnen?
Wenn sich die Menschen wohlfühlen, mit ihrem Sprengel identifizieren. Und sagen: Die Bezirksvertretung hat gut für uns gearbeitet.
„Mehr Kompetenzen!“ CDU will die Bezirke gestärkt sehen
Wie geht die Opposition die Amtsperiode an? Wir fragten Karl-Josef Schiffer (CDU), den stellvertretenden Bezirksbürgermeister.
Herr Schiffer, wie sehen Sie die Koalitionsparteien? Als politische Gegner oder als Mitstreiter für das Wohl der Bürger?
Schiffer: Sowohl als auch. Aber bei allen parteipolitischen Gegensätzen geht es für uns alle natürlich in erster Linie darum, uns für das Wohl der Bürger einzusetzen. Und da wird dann auch über Parteigrenzen hinweg nach Kompromissen gesucht. Ohnehin täten die Parteien in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung gut daran, den Bürger vor Ort mitzunehmen.
An welchen Schrauben muss in Ost aus Sicht der CDU gedreht werden?
Ich wünschte mir mehr Kompetenzen für die Bezirke. Die Kommunalreform 1975 war ein Schritt in die richtige
Richtung, aber die Bezirke bleiben im Prinzip Stiefkinder. Natürlich gilt es auch, sich speziellen Themen zu widmen: Die Nahversorgungszentren müssen gestärkt werden; wir als Bezirk müssen an der Nachfolgenutzung des Opelgeländes beteiligt werden. Beim Ostpark bin ich weiter skeptisch. Selbst die Stadt scheint ja nicht mehr so sicher zu sein, ob sie für all’ die geplanten Wohnungen Abnehmer findet.