Langendreer. . Schon Ende September sollen mit den Bauarbeiten zum umstrittenen Ausbau der Straßenbahnliniebegonnen werden. Doch macht das Projekt überhaupt Sinn? Die Bogestra zweifelt daran nicht.

Die Bahn kommt, hieß es in einer alten Werbekampagne der Deutschen Bahn. Nachdem der Baubeginn für den Ausbau der Straßenbahnlinie 310 in Langendreer für Mitte bis Ende September bereits avisiert ist, scheint nun unvermeidbar zu sein, dass die Bahn kommt. Die Befürworter freuen sich, die Gegner sind stinksauer.

Bei den Gegnern des Projekts werden u.a. zwei Zahlen gegeneinander abgewogen: Im Bereich Kaltehardt, so heißt es, könnten 7000 Bürger die Bahn nutzen, im Bereich Dorf etwa 7050. Diese nur marginale Differenz rechtfertige keine Baumaßnahme dieser Größenordnung, sagen die Gegner.

Im Gespräch mit Bogestra-Pressesprecherin Sandra Bruns ist herauszuhören, dass zwei wesentliche Gründe für den Bau verantwortlich sind: Zum einen sei, so Bruns, die Anbindung der Wittener an den S-Bahn-Haltepunkt Langendreer politisch gewünscht. Zum anderen lohne es nicht, die alte, eingleisige Strecke auf der Baroper Straße für den Betrieb von modernen Niederflurwagen auf den Stand der Technik und damit Zweigleisigkeit zu bringen. In der Tat, so Bruns, sei in all den Jahren nie über den S-Bahn-Haltepunkt Langendreer-West als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Langendreer gesprochen worden, weil aus Wittener Sicht eben die Anbindung an den Haltepunkt Langendreer gewünscht war.

Prüfung von Standfestigkeit und Sicherheit

Legt man auf dem Stadtplan eine Linie mittig zwischen den nun geplanten Verlauf der 310 auf der Wittener Straße und die vorhandene S-Bahn-Strecke, so fällt schnell auf, dass große Teile der Bevölkerung zwischen Ümminger und Hauptstraße viel näher zur S-Bahn wohnen. Dortige Nutzer des ÖPNV werden sicher nicht zur 310 wechseln. Genau so wenig wie Autofahrer, die ihre fahrbaren Untersätze schon jetzt nicht stehen lassen. Die vorgeschriebene, aber noch ausstehende Standfestigkeitsprüfung der Brücke am Crengeldanz ist, so Bruns, „für uns kein Thema, denn die Vario-Bahn passt sowieso durch.“ Tiefer legen wolle man die Straße lediglich, um die Fahrdrähte vor den Lkw zu schützen, die von Zeit zu Zeit dort steckenbleiben und dabei die Drähte beschädigen.

Für die Gegner der 310 ist allerdings sonnenklar, dass ohne Prüfung von Standfestigkeit und Sicherheit überhaupt nicht gebaut werden dürfe. Dennoch soll im letzten Septemberdrittel die Baumaßnahme zwischen Elsterstraße und Stiftstraße beginnen. Zeitgleich starten die Bauarbeiten auch auf Wittener Gebiet.

Die Menschen im Ortsteil Kaltehardt, seit Jahrzehnten von der 310 versorgt, weinen der Anbindung hinterher. Dort gibt es schließlich keine S-Bahn als ebenso gute wie schnelle Alternative.

Schwere Entscheidung und „Rundum-Sorglos-Paket“

„Es ist ja durchaus Werbung für uns“, sagt Sandra Bruns, „dass die Menschen traurig sind, wenn sie die Bahn nicht mehr haben.“ Die schwere Entscheidung, wer die Bahn bekommt und wer nicht, treffe aber letztlich die Politik. „Der ÖPNV hat an Bedeutung gewonnen“, argumentiert die Sprecherin. „Die Menschen können sich keine zwei, drei Autos mehr erlauben in diesen wirtschaftlich schweren Zeiten und bei diesen Benzinpreisen.“ Und die Straßenbahn habe große Vorteile: „Sie ist wegen der Vorrangschaltung schneller als der Bus und auch wetterunabhängiger.“

Mit guten Nachrichten geizt die Botgestra-Pressestelle nicht. Die neuen Vario-Bahnen bieten Extra-Raum für Räder, Rollatoren und Kinderwagen. Das komme bei den Fahrgästen sehr gut an. 15 moderne Bahnen (Kosten: rund 30 Millionen Euro) sind bestellt und werden an der Engelsburger Straße schon 2013 erwartet, obwohl die alten M-Wagen noch so lange auf der alten Strecke fahren, bis die Baumaßnahme abgeschlossen ist.

Für die Bauzeit versprechen Melissa Przybyl, die Bogestra-Beraterin im Büro vor Ort, und Sandra Bruns allen, die Probleme haben, ein „Rundum-Sorglos-Paket“. „Wir sind dann nicht nur zwei Tage vor Ort, sondern per Mail oder Telefon immer ansprechbar.“

Einschränkungen sollen so gering wie möglich sein

Als Tochter eines selbstständigen Kaufmanns könne sie, sagt Bruns, die Sorgen von Unternehmern sehr gut verstehen. Wegfall von Parkplätzen, Dreck und Einbahnstraßenregelungen: Man werde die Einschränkungen so gering wie möglich halten. Bei der Baumaßnahme in Herne, erzählt Bruns lachend, „haben sogar unsere Bauarbeiter mal bei einem Umzug geholfen.“

Nachdem jahrelang über die Kurve am Knotenpunkt Langendreer Markt diskutiert wurde, will man jetzt auch die störenden Kurvengeräusche der modernen Wagen optimieren: In Herne wird in Kürze ein neues Konzept vorgestellt. Die alten M-Bahnen werden verkauft. Im türkischen Bursa rollen schon einige der alten Wagen. Ob man sich am Marmara-Meer nahe Istanbul über die Bochumer Bahnen freut oder ärgert, wurde nicht berichtet