Langendreer. Über 50 Besucher nahmen an einem historischen Rundgang teil, der betroffen machte.
„Mit so vielen interessierten Besuchern haben wir nicht gerechnet“, freute sich Paul W. Möller vom Verein „Langendreer hat’s!“. Er begrüßte damit mehr als 50 jüngere und ältere Bürger aus dem Stadtteil, die an dem von Clemens Kreuzer geführten Rundgang durch den Stadtteil teilnahmen.
Was dann folgte, war eher bedrückend. Zwei Stunden lang ging es auf den Spuren jüdischer Familien, deren nationalsozialistischen Widersachern sowie deren Leidensgeschichte bis hin zu Tod oder Flucht quer durch den Stadtteil.
Ausgangspunkt war die Christuskirche als das eine Ende der Alten Bahnhofstraße (vormals Kaiserstraße). Die Route führte dann entlang der Straße bis zur anderen Seite an die Ümminger Straße.
Kreuzer unterteilte den gesamten Weg in sieben Stationen. An jedem Halt gab er unterschiedliche Einblicke in das Leben und Arbeiten früherer jüdischer Mitbürger sowie zum Handeln der Nationalsozialisten. Den Schwerpunkt legte er dabei auf die Zeit während der Diktatur ab 1933. Am Ende ergab sich daraus ein Gesamtbild, das die Besucher tief beeindruckte, wie der Beifall zum Schluss zeigte. Möller befand deshalb als Fazit: „Dieser erster Rundgang stieß auf so viel Interesse, dass wir das wiederholen sollten.“ Auch Clemens Kreuzer war sehr zufrieden.
Französische Besatzung
Zurück zur Geschichte der Juden: Mit dem Turm der Christus-/Dorfkirche als ältestes Gebäude im Stadtteil verband Kreuzer den Zuzug der ersten Juden in das ländliche Dorf um 1815. Durch das von Napoleon I. durchgesetzte Recht während der französischen Besatzung konnten sich Juden überall niederlassen im Gegensatz zum zuvor und später wieder geltenden preußischem Recht. „Metzger Abraham Abraham (später Hirsch) war der erste, der diese Chance nutzte“, so Kreuzer. Der zweite Jude, Heimann (später Hermann) Klein, musste hingegen um 1820 anderthalb Jahre warten, bis er mit Hilfe eines Einspruchs von Langendreerer Gemeinderäten die Erlaubnis der zuständigen Bürgermeisterei in Witten erhielt.
Der freie Zuzug von Juden in die aufstrebende Industriestadt Langendreer in der Kaiserzeit war das Thema der zweiten Station (In der Helle 5). Als Beispiel nannte Kreuzer Daniel Harff, der um 1890 zuzog. Später machte sich dieser mit einem Kleidungskaufhaus im Hause selbstständig, bis er durch den jüdischen Kaufmann Albert Simmenauer verdrängt wurde. Geschäftsführer wurden Nachfahren der oben vorgestellten Familie Heimann.
Von nun an thematisierte Kreuzer auch die Verfolgung der Familien in der Nazizeit. Viele der Familie Heimann starben in den Gaskammern der Konzentrationslager, nachdem sie durch Boykott, üble Nachrede und Körperverletzung mehr und mehr ausgegrenzt worden waren. Das dies kein Einzelfall sondern gezielte Politik war, zeigten weitere Beispiele.
Unliebsame Gegner
Station Amtsgericht am Carl-von-Ossietzky-Platz: Nicht nur Juden wurden Opfer der Nationalsozialisten, die sich ab etwa 1928 verstärkt im Stadtteil formierten. Auch der letzte Amtmann Wilhelm Jacobi, der sich bis zu seiner Pensionierung nach der Eingemeindung von Langendreer nach Bochum gut widersetzen konnte, wurde deren Opfer.
Gastwirtsohn Artur Brücher und der Großbauer Paul Niederwestermann, so Kreuzer, wurden deren treibende Kräfte, die Aufmärsche, Provokationen, Straßen- und Saalschlachten sowie später brutale Folterungen unliebsamer Gegner sowie von Juden organisierten. Weitere Stationen waren am Alten Bahnhof die Lutherkirche/Maiwegstraße, der Platz „Am Stern“, sowie zwei weitere Orte an der Alten Bahnhofstraße. In den Blick kam dabei immer stärker die Geschichte von jüdischen Arbeitern und Geschäftsleuten. Das betraf deren Erfolge im Langendreer der Eisenbahn- und Bergwerkszeit ebenso sowie deren Niedergang und Tod in der Gaskammer in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur.
Auch 70 Jahre danach machten solche Informationen die Besucher des Rundgangs betroffen.