Langendreer. Die geplante Verlängerung der Straßenbahnlinie 310 in Bochum Langendreer erhitzt die Gemüter. Ein Rechtsanwalt will juristische Fehler ausfindig gemacht haben. Baubeginn im Herbst?
Wolf-Dieter Varney und sein Anwalt Dietrich-Wilhelm Fortmann sind gegen die geplante Verlängerung der Linie 310 durch Langendreer – und sie sind optimistisch, das Mammutprojekt noch verhindern zu können.
„Es gibt beim Planfeststellungsbeschluss schwer wiegende Verfahrensmängel“, sagt Fortmann. „Die Chancen stehen deshalb nicht schlecht, dass wir die Sache noch kippen können.“ Fortmann hat für vier Mandanten beim Oberverwaltungsgericht Münster einen Antrag gestellt: Das Gericht soll entscheiden, dass der Planfeststellungsbeschluss unwirksam ist.
Die Hoffnungen der Fortmann-Klienten gründen auf Details, die für Nicht-Juristen nur schwer zu durchschauen sind. Da ist zum Beispiel die Annahme, dass bei der Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses formale Fehler gemacht worden seien. Das Gesetz schreibe vor, dass der Beschluss all jenen formal zugestellt werden müsse, die im Anhörungsverfahren Einwendungen gemacht haben. Zusätzlich müsse das Werk auch öffentlich ausgelegt und diese Auslegung öffentlich bekannt gemacht werden.
Ausnahmen von dieser Regel gibt es, wenn zu viele Einwendungen eingegangen sind. „Dann kann der Planfeststellungsbeschluss als solcher öffentlich bekannt gemacht werden“, so Fortmann.
Formale Voraussetzungen
Rechtskraft erlangt das Papier aber erst, wenn die formalen Voraussetzungen erfüllt sind. „Das ist hier aber nicht der Fall“, moniert Varney, der auch zweiter Vorsitzender der Initiative gegen den Straßenbahnbau ist. An der Unterstraße betreibt sein Sohn Sven einen Kiosk, seine Schwiegertochter Vera einen Grill. Die Familie wäre von den Behinderungen während der Bauzeit also doppelt betroffen.
„Die Stadt Bochum hatte den Auftrag der Bezirksregierung“, so Fortmann, „den Beschluss auszulegen und diese Auslegung bekannt zu machen.“ Stattdessen habe sie den Beschluss bekannt gemacht und diese Bekanntmachung (per Zeitungsanzeige) unterzeichnet mit „Die Oberbürgermeisterin Dr. Kratzsch“. Dies sein ein schwer wiegender Fehler gewesen. Nicht nur, weil es eine OB Kratzsch gar nicht gebe. „Das ist so, als wäre das Papier im Rathaus aus dem Fenster geweht worden“, sagt der Anwalt, „aber kein formgerechtes Verfahren.“ Der Planfeststellungsbeschluss sei deshalb rechtlich nicht existent.
Fehler beim Lärm-Gutachten?
Solche juristische Formalien sind allerdings nur eines der Argumente. In der Kritik steht auch der Kosten-Nutzen-Faktor, der die Notwendigkeit der Bahn über die zukünftige Zeitersparnis der Fahrgäste begründen soll. „Da stimmt nichts mehr“, sagt Fortmann, „denn bei der Berechnung ist man von einer Bahn-Geschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen.“ Inzwischen sei entlang der Strecke aber ein großer 30 km/h-Bereich eingerichtet. Auch bei den Lärm-Gutachten gebe es Fehler.
Dass man auf Wittener Stadtgebiet den Bereich um die Bahnunterführung am Crengeldanz aus den Betrachtungen herausgenommen hat, liegt nach Ansicht von Varney daran, dass „die geforderte Standsicherheit dieser Brücke mangels Unterlagen nicht testiert werden kann.“ In diesem Zusammenhang fragt sich Varney, warum denn die Sicherheit der A44-Brücke nicht ebenfalls gutachterlich geprüft wurde. Erkennbar sei, so formuliert es der Rechtsanwalt, „in der Sache ist noch viel Musik drin.“
Bogestra setzt auf Baubeginn am 17. September
Auch Björn Harmening, Geschäftsführer der Firma Opel Pieper, hat beim OVG einen Eilbeschluss beantragt. „Die machen bald das Opel-Werk zu. Und dann geben sie unserem Stadtteil mit dieser Baumaßnahme den Gnadenstoß“, meint er. „Auch wenn die jetzt zwischen Elsterstraße und Stiftstraße anfangen“, sagt er, „bleibt das alles Blödsinn.“ Mal abgesehen davon, dass es nun so wirke, als wolle man beim Bau eines zehnstöckigen Hauses mit der vierten und fünften Etage beginnen.
Am 17. September soll mit dem Bau der 310-Verlängerung in Langendreer begonnen werden. „Solange wir vom Gericht keinen Einspruch bekommen, werden wir von unserem Baurecht Gebrauch machen“, meint Bogestra-Sprecherin Petra Bönnemann. „Das wird ein schönes Verkehrsangebot für die Menschen vor Ort.“