Langendreer. Für einige Wochen verlässt Dr. Frank Möller seine Heimat, um sich dem Leid der Kinder in der Dritten Welt anzunehmen
Endlich mal den Alltag hinter sich lassen, das wollen die meisten in ihren Ferien. So auch Dr. Frank Möller, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Knappschaftskrankenhaus. Doch im Gegensatz zu Pauschaltouristen macht der Mediziner „Urlaub“ in Entwicklungsländern wie Indien, Nepal, Indonesien und Brasilien. Hier, in der Dritten Welt, kümmert sich der Arzt um das Leid der Menschen.
Als Anästhesist engagiert sich Möller ehrenamtlich für den gemeinnützigen Verein „Interplast Germany“. Diese Vereinigung engagiert sich dafür, dass Patienten mit Gesichtsfehlbildungen, Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, Handfehlbildungen, schweren Verbrennungen, Tumoren oder Kriegsfolgen, die sich sonst keine Behandlung leisten können, unentgeltlich plastisch-chirurgisch operiert werden. So sollen die Patienten wieder eine Chance bekommen, ein integrierter Teil der Gesellschaft zu werden. Denn wer unter Fehlbildungen oder Krankheiten leidet, wird meist von der Gesellschaft isoliert. Ein entstelltes Äußeres gilt häufig als Strafe für Fehlverhalten durch göttliche Mächte. Hier schafft Möller Abhilfe.
Ein bis zwei Mal im Jahr bereist er während seiner Urlaubszeit die Entwicklungsländer, um in einem Team aus Plastischen Chirurgen, Anästhesisten und OP-Schwestern in ein Entwicklungsland aufzubrechen und dort für zwei Wochen zu arbeiten. Auf die Idee kam er dank eines ehemaligen Kollegen aus der Mund-, Kiefer- und Plastischen Gesichtschirurgie, der ihn vor acht Jahren ansprach.
In diesem Sommer bereiste der Arzt zum wiederholten Mal die Armenregion Coroatá/Maranhao im Nordosten Brasiliens. Dort ist 1992 ein kleines Krankenhaus entstanden, in dem die wechselnden „Interplast“-Teams, in Zusammenarbeit mit Landshuter Ordensschwestern, mittellosen Menschen helfen, schwere angeborene Entstellungen oder verstümmelnde Verbrennungsfolgen zu überwinden. Während bei uns Operationen der Mund-, Kiefer-, Gaumenspalte bereits im Babyalter vorgenommen werden, müssen die Betroffenen in Coroatá mit den Entstellungen leben und das, obwohl sie nicht nur unter den ästhetischen Einbußen leiden. Auch das Sprechen und Essen bereitet ihnen Probleme. Doch der Weg zur nächsten Klinik ist meist bis zu 1000 Kilometer weit entfernt. Auch das Geld fehlt den Menschen in Brasilien an allen Ecken und Enden.
Ein weiteres Problem sind Verbrennungen. Viele Familien haben keinen Ofen, benutzen Kerosin-Brenner, die leider sehr häufig explodieren. „Die meisten Frauen und Kinder sind grauenhaft entstellt“, erzählt Möller und erinnert sich nur zu gut an ein kleines Mädchen. „Ihre Haut war so zerstört, dass es nicht mal mehr die Arme strecken konnte. Selbst wenn nach einer Operation Narben bleiben sollten, so sind die Gliedmaßen zumindest wieder funktionell einsatzfähig.“ Das ist es, was den Bochumer Mediziner immer aufs Neue dazu bewegt, zu den Menschen zu reisen. Zumal er den Patientenkontakt hier viel intensiver erlebt, als in der deutschen Heimat. „Dadurch, dass wir für die Zeit unseres Aufenthaltes alle unter einem Dach wohnen, sieht man sich 24 Stunden und kennt den Patienten – ganz ohne lange in einem Stapel Papieren suchen zu müssen,“ freut sich Möller.
Den besonderen Reiz macht für den 53-Jährigen allerdings aus, sich in der Diagnostik ausnahmsweise mal nicht auf Computer und moderne Geräte verlassen zu müssen, sondern voll und ganz auf die eigene Erfahrung und die persönliche Einschätzung. „Man ist dort auf sich allein gestellt“, sagt er. Keine Hilfsmittel, wie Labor, Blutkonserven, EKG oder Röntgen stehen vor Ort zur Verfügung. „Und wenn etwas schief geht, gibt es keine Intensivstation“.
Auch wenn es noch ein paar Jahre bis zum Ruhestand hin ist, so liebäugelt Dr. Frank Möller doch schon mit dem Gedanken, seine Aktivitäten auszubauen. Bis dahin investiert er weiterhin gerne einen Teil seines Jahresurlaubs.