Langendreerholz. Nach über 40 Jahren muss Vollblut-Kneipier Siegfried Schönfelder (72) die Gaststätte „Zum Grabeloh“ schließen

Der Mann ist zutiefst betroffen, und selbst dem flüchtigen Betrachter bleibt das feuchte Blitzen in seinen Augenwinkeln nicht verborgen. Siegfried Schönfelder, eine Institution hinter der Theke der Gaststätte „Zum Grabeloh“, darf nicht so wie er es gern möchte: Nach über 40 Jahren soll der gestandene Wirt die Tür abschließen und seinen Beruf an den Nagel hängen. „Ich würde gern noch weitermachen“, sagt der 72-jährige Vollblut-Kneipier, „aber meine Vermieterin hat den Pachtvertrag nicht verlängert.“

„Da wird wieder ein Stück deutsche Kneipenkultur sterben“ sagt Peter Schwabenbauer. Der bekennende Schalke-Fan kommt mit seinem Freund Rudolf Rabe (bekennender BVB-Fan!) regelmäßig zu Fuß vom Wittener Sonnenschein ins benachbarte Langendreerholz. „Bei uns gab es früher acht Kneipen, die leicht zu Fuß erreichbar waren“, sagt Rabe traurig. „Jetzt sind wir froh, dass wir uns noch hier beim Siggi treffen können.“ Schwabenbauer findet auch, dass mit der Gaststätte ein Stück deutsche Essenskultur verschwinden würde. „Siggi Schönfelders Haxen, seine Schnitzel und der Leberkäse“, finden die Wittener, „sind supergut, die besten im ganzen Ruhrgebiet.“

Der Stichtag steht fest: Am 25. Juni wird die Tür abgesperrt – und dann bleiben (leider!) nur noch die Erinnerungen. An große und kleine Ereignisse wie die Sonnenaufgänge am Sonntagmorgen, die man sich, gemeinsam mit den Gästen, nach langen Theken-Nächten in den 80er Jahren draußen angesehen hat. „Oder die große Hochzeit mit 150 Personen“, erinnert sich Schönfelder, „bei der übermütige Jungs den Flipper aufgebrochen haben.“

Gern denkt der Wirt auch an die Wintergrill-Aktionen, an große Weihnachtsfeiern mit dem SPD-Ortsverein Langendreerholz und an die Riesenfeste im großen Saal. „Es war immer eine sehr schöne Zeit hier“, sagt Schönfelder und lässt der Wehmut freien Lauf.

Der Mann ist 72 Jahre alt und hat in all den Jahren viel gesehen – und viel gearbeitet. „Am Anfang habe ich noch bis 16 Uhr bei Tapeten Welzel einen Vollzeitjob gehabt“, erinnert sich Schönfelder, „und war noch mehr als ein Jahr Platzwart bei Langendreerholz.“ Die Energie hat er immer noch, wobei ihn aber jetzt neben Ehefrau Gisela auch Tochter Sonja unterstützt.

Lothar Fulde, Manfred „Ede“ Wolf und Manfred Stemmann gehören bei Schönfelder inzwischen zum „lebenden Inventar“: Sie treffen sich hier seit über 40 Jahren, seit der Eröffnung, zum Skat. Wolf war viele Jahre Trainer und Obmann beim VfB Langendreerholz. Und Wolf weiß, warum nach vielen anderen Kneipen nun auch hier die Lichter ausgehen werden. „Die Gemütlichkeit hat nachgelassen“, stellt er lakonisch fest. „Früher haben wir uns regelmäßig – vor und nach dem Spiel, vor und nach dem Training - hier getroffen. Da wurde hinten im Saal, im kleinen Kreis die Aufstellung besprochen.“

Jetzt ist der Saal verwaist, aber auf der Kegelbahn rollen noch die Kugeln. Siegfried Schönfelder hat im Saal einen Flohmarkt aufgebaut. „Ich muss doch langsam mal ausmisten und sortieren“, sagt er und schaut mit starren Augen auf ganze Tische voller Dinge, die sich in über vier Jahrzehnten angesammelt haben.