Langendreer. . Historiker Clemens Kreuzer wirft in seinem neuen Buch ein weiten Blick zurück und erzählt die Geschichte des Niederschulten-Hofes vor 750 Jahren.
Das Echo war groß, als im Jahr 1986 das erste Buch des Historikers Clemens Kreuzer zur „1100-jährigen Geschichte“ der Stadtteile Langendreer und Werne erschien. Die Geschichte des gesamten Bochumer Ostens erzählte er 2009. Jetzt blickt er mit seinem dritten Buch „Niederschulten-Hof und Bauerndorf Langendreer“ auf jene Zeit, als Langendreer noch ein Dorf war. Das führt ihn nicht nur zur Geschichte des heutigen Hof Maiweg (Im Mühlenkamp), sondern auch zu den Anfängen der Siedlung vor etwa 1500 Jahren.
Wie kam es zu Ihrem neuen Buch?
Anlass für die Herausgabe des Buches war das 750-jährige Bestehen des Niederschulten-Hofes, heute als Hof Maiweg bekannt, der erstmals im Jahre 1266 urkundlich erwähnt wurde. Seine Historie habe ich in Absprache mit Hofbesitzer und Herausgeber Dieter Maiweg in die Geschichte des Bauerndorfes Langendreer eingebettet.
Warum eine Geschichte nur des Bauerndorfes?
Bisher war die Darstellung der letzten 150 Jahre ein Schwerpunkt örtlicher Geschichtsschreibung. Da war Langendreer eine Zechengemeinde und ab 1929 ein Bochumer Stadtteil. Doch diese Zeitspanne ist nur ein kleiner Teil der gesamten Existenz des Ortes. Im Hauptteil war er ein Bauerndorf.
Bei dieser zeitlichen Relation wäre der Ort etwa 1500 Jahre alt, viel älter als die 1100 Jahre in Ihrem Buch von 1986?
Bisher wurde das Alter des Dorfes aufgrund der urkundlichen Ersterwähnung in der Abtei Werden auf etwa 880 n. Chr. bestimmt. Eine der spektakulären Neuigkeiten meines Buches ist, dass der Ort schon vor der Völkerwanderung entstanden sein muss. Das hat die Akademie der Wissenschaften in Göttingen im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Ortsnamenkunde zwischen Rhein und Elbe ermittelt.
Und was ist aus der frühen Zeit seiner Existenz bekannt?
Natürlich gibt es keine schriftlichen Zeugnisse aus den ersten Jahrhunderten. Doch durch Rückschlüsse aus späteren Quellen – etwa den Höfelisten von 1486 und 1664 – sowie aus örtlichen Gegebenheiten lassen sich manche Erkenntnisse auch zur ältesten Zeit gewinnen. Diese wollte ich beschreiben.
Und das spätere Bauerndorf?
Das Mittelalter und die frühe Neuzeit des Dorfes sind in bisherigen Veröffentlichungen auch deshalb zu kurz gekommen, weil ihre Quellen viel spärlicher fließen als die der letzten 150 Jahre. Aber es gibt sie und man muss sie erschließen. Ich habe für das Buch erst eine Reihe mittelalterlicher Urkunden von Fachleuten übersetzen lassen. Hinzu gekommen sind bisher unberücksichtigte Archivdokumente, zum Beispiel das bisher unbekannte, schon im 30-jährigen Krieg entstandene Protokollbuch der Bauerschaft Langendreer, das ich ausgewertet habe.
Und, Neues entdeckt?
Ja. Die übersetzten Urkunden belegen zum Beispiel lange Auseinandersetzungen zwischen dem Langendreerer Rittergeschlecht der Ovelacker und dem Kloster Elsey, an das sie den Hof verkauft hatten. Spannend ist auch ein 1782 beginnender Streit der Langendreerer Kötter gegen das Adelshaus Langendreer und die Großbauern des Dorfes, aber ebenso deren „Bauernbefreiung“.
Es geht also auch um Sozialgeschichte?
Genau! Und nicht nur die der größeren Höfe. Ich beschreibe auch die Situation von Köttern, Taglöhnern und Leinewebern, von Kranken, Alten und Soldatenwitwen, denen irgendwo im Stall, in der Scheune oder im „Backs“, dem Backhaus eines Hofes eine Ecke eingeräumt war.
Kommt denn bäuerliche Dorfgeschichte heute noch an?
Sie kommt wieder an. Nachdem das Leben nicht mehr direkt vom Bergbau und der daraus entstandenen Industrielandschaft geprägt ist, beginnt auch die Historie des Ortes für viele Menschen nicht erst mit dem Abteufen der Zechen Urbanus, Mansfeld oder Bruchstraße im 19. Jahrhundert. Da reicht der Blick weiter zurück. Das vollziehe ich in dem Buch nach.
Clemens Kreuzer: Niederschulten-Hof und Bauerndorf Langendreer. Gimmerthal Verlag, 136 Seiten mit vielen Abbildungen, 25,90 Euro, ISBN 978-3-00-051974-1