Bochum. Die Stahlwerke Bochum sind Marktführer für Shredder-Werkzeuge. Weltweit werden ihre besonders harten und hartnäckigen Hämmer, Messer, Roste und Ambosse nachgefragt. Das Inhaber-Trio kaufte Thyssen Krupp 2004 die Tochterfirma ab und macht mittlerweile einen Umsatz von 30 Millionen Euro jährlich.

Wenn die Glocke zweimal klingelt, ist höchste Aufmerksamkeit gefragt. Mehr als sechs Tonnen kochender, 1600 Grad Celsius heißer Stahl verlässt in einer überdimensionalen Kanne, im Fachjargon Pfanne genannt, den Schmelzofen und wird mit einem Kran 100 Meter weiter transportiert. Der Gießer, vor der Hitze geschützt durch einen feuerfesten Mantel, Handschuhe und Helm mit Gesichtsschutz, verteilt es dort auf vorbereitete Formen.

Im Zusammenspiel mit dem Kranfahrer entlässt er die rotglühende Flüssigkeit, die dem Beobachter aus gebührendem Abstand wie ein besonders breites Leuchtschwert eines Jedi-Ritters vorkommt, über einen per Hebel zu bedienenden Pfropfen am Pfannenboden nach unten. Zum Schluss dreht der Gießer am Rad von den Ausmaßen des Steuerrades einer Gorch Fock und dreht die Pfanne einmal um die eigene Achse, um die restliche Schlacke in separate Behälter zu füllen. Eine Prozedur, die sich alle 90 Minuten wiederholt – über zwei Schichten verteilt von morgens sechs bis abends um 22 Uhr. Wir stehen in der Mitte der 300 Meter langen Produktionshalle der Stahlwerke Bochum GmbH (SWB) und sehen zu, wie ein auf der ganze Welt genutztes Hightech-Produkt buchstäblich Form annimmt.

Hunderte Kilogramm schwer

Werkzeuge entstehen hier, in diesem Fall Hämmer. Die indes haben mit dem handelsüblichen Schlaginstrument genau so viel zu tun wie ein Segelflugzeug mit einem Jumbo-Jet. Beide sind nur ganz entfernt für den selben Zweck gedacht.

Bei SWB produzieren sie Werkzeuge für Shredder. Hämmer, Scheren, Ambosse, Roste, – viele von ihnen Hunderte Kilogramm schwer, aus besonderen Stahllegierungen gegossen, die gleichermaßen Härte wie Zähigkeit kennzeichnet und die in den Zerkleinerungsanlage riesige Kräfte ausüben und genauso riesige Kräften ausgesetzt sind. „Hart im Geben und Zäh im Nehmen“, sagt Stephan Mayer, (45), einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter.

Hier an der Castroper Straße ist das ein geflügelter Satz; sozusagen die Programmatik eines mittelständischen Unternehmens, das sich vor zehn Jahren aus dem Thyssen-Krupp-Konzern heraus geschält hat und das es zum Marktführer in seinem Segment gebracht hat. In mehr als 40 Ländern auf der Erde werden Stahl- und Betonbrecher mit den Werkzeugen „Made in Bochum“ ausgestattet – ob in den 53 allein in Deutschland stehenden Shreddern, ob in den USA, Japan (beide jeweils 350) oder sonst wo auf der Welt.

Und es gibt weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Auch in Osteuropa hätten sie erkannt, wie wichtig das Recycling ist, so Firmensenior Bruno Mayer (73). Das und die neuerdings von SWB angebotenen Scheren und Messer sorgen für wachsende Umsätze. Kaum ein Geschäft ist so krisensicher.

Immer schwarze Zahlen geschrieben

Denn Recycling, die Verwendung von sekundären Rohstoffen, wird in Zukunft wichtiger denn je sein. Die weltweite Präsenz ermöglicht es SWB, regionale Konjunktureinbrüche an anderen Ecken des Globus zu kompensieren. „Wir haben in den letzten 25 Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben“, sagt Wolfgang Callies (50), der wie Vater und Sohn Mayer geschäftsführender Gesellschafter ist – die Mayers erledigen den technischen, er als Diplom-Ökonom den kaufmännischen Bereich. „Wir sind etwas teurer als Mitbewerber“, räumt Callies ein. Aber Qualität und Lebensdauer der Werkzeuge rechtfertigten dies.

Für die Qualität sorge vor allem die weltweit einzige, vollautomatische Wärmebehandlung, die sie bei SWB entwickelt und in der zweiten Hälfte der riesigen Halle installiert haben. „Hier kriegen unsere Werkzeuge das, was die anderen nicht können“, sagt Stephan Mayer. Alles weitere fällt unter das Geschäfts- und Erfolgsgeheimnis.

Vom Thyssen-Fremdkörper zum eigenständigen Weltmarktführer 

Da sitzen sie, die drei von den Stahlwerken – aufgeräumt, voller Tatendrang, aber mit einer gehörigen Portion Augenmaß. Gemeinsam haben Bruno und Stephan Mayer sowie Wolfgang Callies aus einem früheren Konzernteil der Thyssen AG („Wir waren wie ein Fremdkörper“) ein erfolgreiches, inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen geschaffen. Sie übernahmen 2004 die bereits 1988 ausgelagerte Thyssen-Gusssparte durch ein Management-by-out, kauften also dem mittlerweile gegründeten Konzern Thyssen Krupp dessen Tochterfirma ab und entwickelten sie weiter; erst mit Hilfe eines Finanzinvestors, seit 2006 aber hält das Trio alle Anteile.

Gut 30 Millionen Euro beträgt das Geschäftsvolumen der Firma mit seinen 140 Beschäftigten mittlerweile – doppelt so viel wie kurz nach der zunächst organisatorischen Loslösung von Thyssen Ende der 1980er Jahre. Eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte, die auch mit der permanenten Entwicklungsarbeit zu tun hat. „Sechs bis sieben Prozent des Umsatz stecken wir in die Entwicklung“, sagt Bruno Mayer. Außerdem gebe es einen intensive Zusammenarbeit mit Universitäten wie der RWTH Aachen, der RUB und anderen.

Stahl zu gießen und ihn mit einer Wärmebehandlung so hart und widerstandsfähig zu machen, dass er den höchsten Ansprüchen der Kundschaft genügt, ist ein energieintensives Unterfangen. 15 Gigawattstunden, also 15 Millionen Kilowattstunden, verbraucht SWB jährlich, alleine das Schmelzen einer Pfanne mit sieben Tonnen Stahl erfordert den Jahresverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts – gut 3000 Kilowattstunden.

Trotzdem sagen sie bei SWB: „Wir sind doppelt grün“, so Stephan Mayer. Denn: Für die Produktion ihrer Werkzeuge verwenden sie aufbereiteten Stahlschrott, auch und gerade die von ihnen selbst gelieferten und in Shreddern und Prallmühlen verschließenen Werkzeuge, oder nutzen 90 Prozent des für die Formen benötigten Quarzsandes immer wieder. Die Kunden recyceln mit den Produkten der SWB zum Beispiel Autos bis zu 97 Prozent.

Aus ökologischen und ökonomischen Gründen. Denn Rohstoffe wie Vanadium und 16 weitere, die für die Legierung der 35 angebotenen Stahlsorten benötigt werden, sind teuer. Sie werden an der Börse gehandelt, eine Tonne Schrott kostet heute 400 Euro statt früher 100 D-Mark. Da lohnt es sich, alles Wiederverwertbare nicht in die Tonne zu kloppen, sondern im Ofen zu schmelzen.