Bochum. Die Bundesregierung will 2017 die Pflege reformieren. Die Begutachtung soll dann in fünf statt bisher drei Stufen erfolgen. Ob das praktikabel ist, wird derzeit erprobt. Die Hochschule für Gesundheit in Bochum ist an der Studie beteiligt.

Insbesondere Demenzkranke sollen künftig verstärkt Geld aus der Pflegeversicherung bekommen. Das sieht die Pflegereform der Bundesregierung vor. Ein wesentlicher Beitrag für die neue Gesetzgebung wird in Bochum geleistet: in der Hochschule für Gesundheit (HSG). Deren Aufgabe: zu erkunden, ob die Ausweitung von drei auf fünf Pflegestufen in der Praxis funktioniert.

„Es wird gelingen“, glaubt Prof. Karl Reif. Seit zwei Jahren ist er Professor im Studiengang Pflege an der HSG. Aus seiner vorherigen Lehrtätigkeit an der Universität Bremen hat er beste Kontakte zum MDS mitgebracht: dem Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen mit Sitz in Essen. Zur Vorbereitung auf das neue Pflegegesetz führt der MDS derzeit eine Erprobungsstudie durch. Die Auswertung übernehmen Prof. Reif (54) und sein Team.

Mehr als nur Gerechtigkeit

Es geht um mehr Gerechtigkeit für die 2,5 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland. Bisher erfassen die Gutachter, welche Hilfen bei der Körperpflege, Mobilität, Ernährung und im Haushalt erforderlich sind. Bezahlt wird für Pflege im Minutentakt. Künftig, so der MDS, sollen auch geistige Einschränkungen, psychische Probleme und die Fähigkeit, den Alltag zu gestalten, eine Rolle spielen. Prof. Reif: „Damit wird vor allem der Pflegesituation von Menschen mit Demenz differenzierter entsprochen als jetzt. Sie haben bessere Chancen, schon im Anfangsstadium der Erkrankung Leistungen zu erhalten.“

Beiträge steigen im nächsten Jahr

Für die Versicherten führt die Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) zu steigenden Beiträgen.

Für 2015 ist eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0,3 Prozentpunkte beschlossen.

Bis Ende der Legislaturperiode soll eine weitere Anhebung um 0,2 Prozentpunkte folgen.

An die Stelle der drei Pflegestufen treten fünf „Pflegegrade“. Ein Punktesystem bis 100 löst die – umstrittene – Einstufung nach Minuten-Aufwand ab und bestimmt, welcher Pflegegrad und damit welche Leistung zuerkannt wird.

86 Gutachter arbeiten parallel

Ob das neue System praxistauglich ist, wird seit dem Frühjahr getestet. 86 zuvor geschulte MDK-Gutachter bewerten bundesweit 2000 ambulante und stationäre Pflegebedürftige (darunter 300 Kinder) nach dem herkömmlichen Drei-Stufen-Modell, nehmen parallel aber auch eine Einstufung in die fünf Pflegegrade vor. Sämtliche Gutachten landen in der Hochschule für Gesundheit an der Universitätsstraße. „Wir werten aus, welche Erfahrungen die Gutachter machen und ob das neue System praktikabel ist“, so Prof. Reif, der bei der Studie von Prof. Sandra Backmann, zwei Pflege-Absolventinnen der HSG und einer studentischen Hilfskraft unterstützt wird.

Ende des Jahres sollen aussagekräftige Ergebnisse vorliegen. Der Pflege-Professor zeigt sich im WAZ-Gespräch schon jetzt überzeugt, dass die Reform gelingt: „Das wird so kommen.“ Greifen soll das neue Gesetz im Jahr 2017.