Bochum. . Mittelständisches Unternehmen hat seinen Platz am Markt gefunden. Jetzt steht sogar der größte Härteofen der Welt in Bochum. Ein Standort mit Entwicklungsmöglichkeiten.
Es ist der Rhythmus des Härte- und Glühverfahrens, dem sich hier jeder unterzuordnen hat. Das gilt für den Chef der Härterei Reese, Dipl. Ing. Gerhard Reese, gleichermaßen. Elektronisch gesteuert, müssen die hier bearbeiteten Maschinenbauteile, vom Zahnrad bis zu gewaltigen Schmiedeteilen, eine bestimmte Verfahrenskette durchlaufen. Altgediente Facharbeiter hatten es früher im Blut und konnten an der Farbe des Werksstücks sehen, wann es etwa die Temperatur von 880 Grad erreicht hat. „Bis zu 10 oder 20 Grad genau, hatte ich das auch drauf“, schmunzelt Gerhard Reese.
Heute ersetzen Infrarotmessgeräte und Computer diese Kunst etwa beim Umlaufhärten. Auf die Sekunde genau muss es passen, denn die optimale Struktur des Bauteils wird nur erreicht, wenn der komplette Vergüteprozess nach einem zuvor berechneten Schema folgt.
Dann wird „eingeheizt“
Unter Schutzgasatmosphäre können in der vier Meter tiefen Ofengrube bis zur 16 Tonnen Material gleichzeitig gehärtet und vergütet werden. Bis zu 850 Grad wird „eingeheizt“. Lupft der Hallenkran den Ofendeckel, schlagen die Flammen hell heraus. Die Arbeitsabläufe müssen gut abgestimmt sein, jeder Griff muss sitzen.
Gerhard Reese, der das Unternehmen 1986 von seinem Vater Helmut, der die Firma 1948 gegründet hatte, übernahm, erinnert sich gut an die Jahre ab 2000. „Wir hatten jedes Jahr enorme Wachstumsraten, um bis zu 30 Prozent. Ein regelrechter Boom war das.“
Damals drängten die Kunden, darunter große deutsche Maschinenbauunternehmen, den mittelständischen Härtereibetrieb zu investieren. „Das wurde für uns zur Überlebensfrage. Und so habe ich mich entschlossen, bei uns den größten Härteofen der Welt bauen und aufstellen zu lassen.“ Gerhard Reese arbeitete mit an der Entwicklung.
Bis zu 50 Tonnen schwer dürfen die Stücke sein. Reese entschloss sich zur Investition: 23 Millionen Euro sind kein Pappenstiel für einen Mittelständler. Und er wurde kalt erwischt. Die Weltwirtschaftskrise von 2008 platzte mitten in die Bauzeit. „Wir mussten stoppen – und da stand die Halle schon. Aber das Risiko wäre einfach zu groß gewesen“, erinnert er sich.
Eine lohnenswerte Investition
Heute steht die millionenschwere Anlage an der Oberscheidstraße direkt gegenüber den älteren Betriebsteilen. Sie ist ein Pfund, mit dem das Bochumer Unternehmen jetzt wuchern kann.
Das haben jetzt offenbar auch die Konstrukteure der großen Maschinenbauunternehmen verstanden. Nach anfänglicher Skepsis, ob es denn möglich sei, solche gewaltige Stücke optimal zu behandeln, setzt nun dort die Erkenntnis ein, dass dies unter vielfältigen Gesichtspunkten Sinn machen kann.
Ein politischer Firmeninhaber
Firmeninhaber Gerhard Reese, der selbst in Bochum Maschinenbau studierte, ist mit seinen 59 Jahren eigentlich in einem Alter, wo der Ruhestand eine nahe Perspektive ist. Solch’ ein Typ ist er jedoch nicht. Er mischt sich ein, arbeitet aktiv bei der Industrie- und Handelskammer mit. Er liebt es, kreativ zu sein und zu gestalten. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und hat auch eine klare politische Meinung zum Standort Bochum.
Seit 2009 seien die Kosten drastisch um rund 20 Prozent gestiegen. Hauptverursacher sind die Löhne aber vor allem der Strom. Vor allem die EEG-Umlage entpuppt sich als einer der Kostentreiber. Auch die Härterei wird voraussichtlich leicht Personal – allerdings sozialverträglich – abbauen müssen.
Doch Reese ist ein Optimist: „Wenn die Politik vernünftig ist, kann die Zukunft gut sein.“ Im Wettbewerb mit den Nachbarstädten könnte die Stadt Bochum leicht punkten und neue Firmen zum Engagement begeistern. „Ich mach’ da aus meiner Meinung keinen Hehl. Eine deutliche Senkung der Gewerbesteuer wäre genau das richtige Signal“, sagt Reese.
Sehr genau verfolgt der Unternehmer auch die Entwicklung und Perspektiven der Opel-Flächen. Es sei Aufgabe der Wirtschaftsförderung ganz gezielt auch auf Mittelständler zu zugehen. Es gebe genug Unternehmen die investieren möchten, nur die Bedingungen müssten eben stimmen und da sei die Gewerbesteuer eine wichtige Stellschraube, um etwa Unentschlossene zu begeistern.
Der Standort, nur einen Katzensprung entfernt vom Autobahnanschluss Riemke, muss als hervorragend bewertet werden. Für den Mittelständler geht es in der aktuellen Wirtschaftssituation nun vor allem darum, mit Spezialitäten zu wuchern. Da spielt die Größe des Härteofens genauso eine rolle wie Rundum-Service und wissenschaftliche Qualität.
In einem eigenen Schulungs- und Beratungszentrum gibt es sowohl interne als auch externe Schulungen, die sich mit allen wichtigen Themen rund um die Wärmebehandlung befassen. Das Auditorium des Unternehmens bietet dazu für Seminare Platz für bis zu 40 Teilnehmer.