Bochum. Bochumer Erinnerungen an den großen Schauspieler Gert Voss, der im Alter von 72 Jahren starb. Er gehörte vor 30 Jahren zum Peymann-Ensemble, und ist bis heute bei den Theaterfreunden vor allem wegen der „Hermannsschlacht“ unvergessen.

Theater, dieser Inbegriff des Flüchtigen, bietet nichts von Dauer, und doch ist die Bühne – mehr noch als jeder Kinofilm – eine Kammer, in der immer auch Erinnerungen eingeschlossen sind. An bestimmte Aufführungen, an Befindlichkeiten beim Ansehen der Stücke, an bestimmte Schauspieler. Etwa an Gert Voss, den berühmten Darsteller, der gestern mit 72 gestorben ist.

Vor über 30 Jahren haben wir ihn in Bochum erlebt, damals, als er zum Ensemble Peymann gehörte. Und zwar vor allem in dieser einen, heute noch beschworenen Aufführung von Kleists „Hermannsschlacht“, in der Voss als Hermann der Cherusker im kongenialen Zusammenspiel mit der großen Kirsten Dene als Thusnelda Theatergeschichte schrieb. Als er, mal rotzige, mal brutal, mal lässig, mal tief zerrissen an den An- und Herausforderungen dieses deutschen „Helden“ Herrmann aus dem Augenblick heraus jene Spannung aufbaute, die den Kreis zwischen Darsteller und Publikum schließt, und der Funken sprühen lässt.

Hajo Salmen, Vorsitzender des Freundeskreises Schauspielhaus, war damals Pädagoge am Gymnasium am Ostring. „Ich erinnere mich an einen Literaturkurs am Samstagmorgen, als Gert Voss und der Dramaturg Hermann Beil mit den Schülern über die ,Hermannsschlacht’-Inszenierung sprachen“, sagt Salmen. Wie bescheiden der Bühnenstar dabei aufgetreten war, wie selbstverständlich er sich zwischen die Jugendlichen auf den Boden gehockt hatte, das hat Salmen nicht vergessen.

Zwei von drei Lebens-Regisseuren des Gert Voss waren „Bochumer“ – neben George Tabori eben die hiesigen Intendanten Peter Zadek und Claus Peymann, mit dem er sich harte Kämpfe lieferte, aber auch außergewöhnliche Thomas-Bernhard- oder Shakespeare-Aufführungen schuf. Mit Anselm Weber hat mit Voss nie gearbeitet, „aber ich schätzte ihn sehr als einen Charakterdarsteller, der auch ein großer Komödiant gewesen ist“, befindet Bochums heutiger Intendant angesichts des Todes von Voss.

Je mehr Zeit vergeht, desto blasser werden die Erinnerungen. Gert Voss ist seit damals nicht mehr in Bochum aufgetreten, selbst ausgewiesene Theaterkenner wie der langjährige WAZ-Kulturredakteur Werner Streletz können sich über die Peymann-Zeiten hinaus nicht an einen Bochumer Abend mit Gert Voss erinnern. Kein Gastspiel, keine Lesung.

Und noch eine gern kolportierte Bochumer Erinnerung ist trügerisch, denn keineswegs ist das Thomas-Bernhard-Schauspiel „Ritter, Dene, Voss“, in dem der Verstorbene neben Kirsten Dene und Ilse Ritter den Titel schmückt, in Bochum uraufgeführt worden. Vielmehr wurde es unter Peymann bei den Salzburger Festspielen im August 1986 erstgespielt.