Anselm Weber ist kein Mensch, der zu Überschwang neigt. Entsprechend nüchtern gibt er die Zahlen zu Protokoll, die gleichwohl eine deutliche Sprache sprechen: die des Erfolgs.185 000 Theaterkarten wurden in der vergangenen Spielzeit, Webers vierter in Bochum, verkauft, die Auslastung lag in der Saison 2013/14 bei 76,6 Prozent. 624 Veranstaltungen wurden absolviert. „Es war die beste Spielzeit, die wir hier gemacht haben“, fasst es der Intendant zusammen. Punkt.
Wohl nicht zuletzt wegen dieser Einsicht hat er seinen Vertrag dann ja auch bis 2020 verlängert.
Will man die Erfolgsstory erklären, kommen sicher mehrere Punkte zusammen. Mit als erstes zu nennen wäre die Konsolidierung des Theaterbudgets nach dem Klaffen des üblen strukturellen Defizits von einer dreiviertel Million Euro in den letzten Jahren. Nicht zuletzt sind die Sparanstrengungen auch auf den Rechenkünstler Weber zurückzuführen, der sich in der Vergangenheit mehr als Buchhalter denn als Künstler gefühlt haben dürfte. Das Hickhack ums Geld war nun in der abgelaufenen Spielzeit vorbei, und – zum Glück! – waren auch keine Verhältnisse, wie sie am Wiener Burgtheater herrschen, zu klären. Der Blick des Direktors ging wieder und zu allererst in Richtung Bühne, in doppelter Hinsicht. Einmal, was seine eigenen Inszenierungen angeht (zuletzt Falladas „Ein Mann will nach oben“), aber auch, was den Spielplan im Ganzen betrifft.
Hier kann Anselm Weber auf einen guten Mix aus Bühnen-Beseeltheit und gehobenen Boulevard bauen. Dass der Theaterzettel in Bochum einseitig ausfiele, lässt sich nämlich nicht behaupten: Von der Kraftanstrengung der fünfstündigen „Nibelungen“ über das launige „Bochum“-Singspiel und liebevolle Kinderproduktionen („Der Gärtner“) bis zum überregional wahrgenommenen Tanztheater („Ruhr Ort“) reichte die Spannbreite. Das hat zur Folge, dass eine breite Gruppe an Theatergängern erreicht wurde und wird. Das Publikum ist sehr gemischt, der Altersdurchschnitt durchaus nicht „vergreist“; auch viele Studenten lassen sich blicken.
„Wir haben das Haus für die gesamte Gesellschaft geöffnet“, stellt Weber fest, ein Anspruch, den er seit seinem Bochumer Start im Herbst 2010 immer wieder vertreten hat. Die Ruhr-Uni wurde durch die Studenten-Flatrate angelockt, Gruppen aus der freien Szene eingebunden. Mit dem durchaus ambitioniert zu nennenden „Detroit-Projekt“ versuchten der Intendant und sein Team eine direkte gesellschaftspolitische Diskussion im öffentlichen Raum anzuregen. Hier wurde künstlerisch viel gewagt, auch wenn viele Veranstaltungen am Ende nur mäßig besucht waren. Der Diskurs zwischen Kultur, Gesellschaft und Stadt soll „natürlich fortgeschrieben“ werden, doch eines dürfte klar sein: wohl nicht mehr in diesem Umfang. „,Detroit’ hat uns alle an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht“, räumt der Theaterchef ein.
Was fehlte? Vielleicht die Nominierung fürs renommierte Berliner Theatertreffen, für die es wieder nicht „gereicht“ hat. Zwar sieht Weber eine Einladung nicht zwingend als Beweis für abgelieferte Qualität an, diesen Standpunkt hat er immer vertreten. Aber auch er weiß, dass beim Bochumer Theaterpublikum nach über zehn Jahren die Sehnsucht nach einer neuerlichen Nennung in Berlin riesengroß ist. Mit David Böschs Geniestreich „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ hätte es in diesem Jahr ja beinahe geklappt.
Warten wir’s also ab.