Ihm Rahmen einer Exkursion besuchten Prof. Rainer Lotzien und Dr. Tansel Doğan der Technischen Fachhochschule Georg Agricola am 18. Mai die Unglücksstelle in Soma. Sie berichteten WAZ-Mitarbeiterin Nadja Juskowiak von ihren Eindrücken.

Wie hat sich die Situation in Soma für Sie dargestellt?

Dr. Tansel Doğan: Die Stadt war abgesperrt, die Polizei kontrollierte jedes Fahrzeug. Zunächst waren wir am Bergwerk, doch es war geschlossen. Die Staatsanwaltschaft war zu diesem Zeitpunkt drinnen.
Prof. Rainer Lotzien: Das Führungspersonal wurde schon festgenommen. Wir haben natürlich einen Blick auf das Bergwerk geworfen. Sie waren gerade dabei, ein Schachtmundloch zuzumauern. Es hieß, die Rettungsarbeiten sind abgeschlossen, das Bergwerk wird jetzt verwahrt. Das heißt, es wird zugemauert.

Wie ging es dann weiter?

Doğan: Wir hätten am Amtsgericht den mir bekannten Kollegen, Akin Çelik, nicht sehen dürfen, darum haben wir dann mit Firat Tekin, einem Kollegen an der Uni, telefoniert, der auch viel im Bergwerk war. Wir haben ihn und seine Frau Ayla Tekin getroffen.
Lotzien: Als wir vom Bergwerk in die Stadt Soma gefahren sind, habe ich den Taxifahrer gefragt, ob die Stimmung normal ist. Es war ein Tag vor dem türkischen Nationalfeiertag und alles war ruhig und bedrückt. Er sagte, das sei nicht normal. Unsere Kollegen an der Uni konnten erst kaum darüber sprechen. Sie sind tief, tief traurig. Wir haben uns langsam an das Thema herangetastet. Viele ihrer ehemaligen Studenten sind in dem Bergwerk umgekommen. Wir haben gefragt, ob es ein Kondolenzbuch gibt, was sie eine gute Idee fanden. Wir haben das Buch vorbereitet und den ersten Eintrag gemacht. Außerdem haben wir sie gebeten, eine Todesanzeige im Namen unserer Hochschule in die lokale Tageszeitung zu setzen.

Wie schätzen Sie die Sicherheit im Bergwerk in Soma ein?

Doğan: Ich war 2011 in Soma, um den Methangehalt der Braunkohle zu untersuchen. Wir haben kein Methan in der Braunkohle gefunden, doch Braunkohle entzündet sich leicht selbst, das ist bekannt. In dieser Zeit habe ich auch einen Soma-Manager, Akin Çelik, kennengelernt. Er hat mir selbst gesagt, dass Sicherheit ihm sehr wichtig ist.

Lotzien: Wir sind jetzt in die Türkei gefahren, um den Abbau von Rohstoffen zu sehen, den es hier nicht gibt, wie Borax oder Gold. In diesen Bergwerken haben wir Sicherheitsstandards erlebt, wie wir sie von hier kennen. Grundsätzlich werden sie kaum ein Land finden, das mit deutschen Sicherheitsstandards mithalten kann, was nicht heißt, dass sie woanders schlecht sind.

Haben Sie eine Idee zu den Ursachen dieses Unglücks?

Doğan: Ich habe eine Idee zu den türkischen Medien. Sie spekulieren gerne und sie brauchen eine schuldige Person. Sie haben viele falsche Dinge geschrieben, zum Beispiel über einen 15-jährigen Mitarbeiter – das war eine große Lüge.
Lotzien: Wir können uns spekulativ viel vorstellen. Normalerweise müsste man jetzt eine Untersuchung durchführen und dürfte das Bergwerk nicht zumauern. Das wird man in Soma wohl nicht mehr tun. Von politischer Seite aus möchte man das Bergwerk nicht mehr öffnen, der Betreiber aber schon, weil noch Rohstoff unten ist.