Bochum.. Ulrike Mähl und Dietmar Vogt vom Leserbeirat der WAZ in Bochum befragten Karl-Heinz Sekowsky (UWG) und André Kasper (Piratenpartei) zum Thema „Zusammen leben in Bochum“. UWG sieht Nachbesserungsbedarf beim Engagement. Kasper für anderes Nahverkehrskonzept
Wenn sich jemand, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, in Bochum niederlassen möchte. Warum ist Bochum eine gute Wahl?
Karl-Heinz Sekowsky: Es hat eine Zeit gegeben, in der das Ruhrgebiet bekannt war für viele Arbeitskräfte. Das hat sich verändert. Dennoch kommen viele Menschen zu uns. Wer heute kommt, der sagt vielleicht, das ist eine Stadt, die viele Hochschulen hat, die zwar mit Pro-blemen auf dem Arbeitsmarkt kämpft, trotzdem gute Ideen hat.
André Kasper: Bochum ist eine offenherzige Großstadt und hat viel Potenzial. Wer als Flüchtling kommt, dem würde ich die Stadt nicht empfehlen, gerade wenn ich an die Unterkunft Wohlfahrtstraße denke. Die Menschen dort stammen aus verschiedensten Kulturen und sind sehr eng zusammengepfercht. Ich würde die Menschen dezentral unterbringen und sie nicht in solch ein Flüchtlingsheim abschieben. Ich finde das unzumutbar, wie wir mit diesen Menschen umgehen.
Sekowsky: Solch eine Unterkunft kann nur ein Zwischenstopp sein. Wir haben etliche leerstehende Gebäude, dort sollte es doch möglich sein, Räumlichkeiten anzubieten.
Es gibt Ausländer, die sich gar nicht integrieren lassen wollen. So sind die Salafisten in Bochum an die Öffentlichkeit getreten. Wie soll die Gesellschaft darauf reagieren?
Kasper: Das ist ein schwieriges Thema. Wichtig ist, dass der Staat mit rechtsstaatlichen Mitteln reagiert. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen direkt in die Gesellschaft integriert werden. Es gibt keine Patentlösung.
Sekowsky: Muss jemand, der zu uns kommt, komplett zu uns passen? Ich finde das geht nicht. Freiraum heißt auch, dass sich an bestimmte Regeln gehalten werden muss. Bei Extremisten müssen Maßnahmen getroffen werden.
Die WAZ hat berichtet, dass Ausländer, die schon lange hier leben und sogar die deutsche Staatsbürgerschaft haben, etwa an einer Diskothek abgewiesen werden.
Sekowsky: Dafür haben wir einen Migrationsausschuss. Ich finde, dass die Ratsmitglieder in der Praxis viel zu wenig draußen tun. Ich wünsche mir für die neue Legislatur, dass wir Formate entwickeln und mit den Leuten ins Gespräch kommen.
Kasper: Wir finden es wichtig, dass die Leute sich treffen, sich begegnen. Wir haben hier in Bochum lauter kommerzielle Treffpunkte. Bei anderen nicht kommerziellen Treffpunkten sieht es schlecht aus.
Beim Thema Integration müssen wir auch über die Integration von Behinderten, von älteren Menschen reden. Was würden Sie ändern?
Kasper: Wir haben uns viele Gedanken über das Thema Mobilität gemacht. Es ist wichtig, dass unserer Bahnhöfe mit funktionierenden Rolltreppen ausgestattet sind. Mit Blick auf die Rentenentwicklung muss klar sein, dass Mobilität bezahlbar bleibt. Gerade Ältere haben da oft ein Problem.
Sekowsky: Ich werde nicht müde zu sagen, das wir was tun müssen, wie etwa bei den fehlenden Parkplätzen am Europahaus. Immer, wenn wir was umsetzen möchten, das Geld kostet, wird’s schwierig. Wir wissen, dass die Demografie uns einen Schub an Senioren bescheren wird. Wir haben zu wenig Heimplätze.
Kasper: Aber wir können schon entscheiden, wie wir das Geld ausgeben. Solange wir uns ein Musikzen-trum leisten können, können wir auch einen Parkplatz vor einem großen Ärztehaus einrichten.
Uns ist aufgefallen, dass die Wahlprogramme sehr in Richtung Innenstadt gehen. Mir fehlen Aussagen zu den Randgebieten.
Sekowsky: Sozialwohnungsbau bedeutet auch, dass sich jemand finden muss, der bereit ist, zu investieren...
Kasper: ...wenn sie Luxuswohnungen bauen, müssen sie auch Sozialwohnungen bauen...
Sekowsky: Wenn Sie mit Zwang arbeiten wollen. Wir wollen das nicht. Es gibt in Bochum ein Wohnbaulandkonzept, da müssen wir mal abwarten, wie sich die Dinge 2014 entwickeln. Wir schauen seit vielen Jahren auf die Bezirke. Die Oberbürgermeisterin hat gesagt, nachdem Projekte in der City fertiggestellt worden sind, jetzt sind die Bezirke dran. Es fehlt aber an Konzepten.
Kasper: Warum konzentriert sich alles auf die Innenstadt? Weil man da von überall gut hinkommt. Das hat was mit dem Verkehrssystem zu tun. Wir brauchen mehr Angebote, wie Metropolrad oder Car-Sharing und wir sind ja für den ticketlosen ÖPNV.
Sekowsky: Zur Bogestra noch. Die Arbeiten ja schon jetzt nicht kostendeckend. Da ist mit Sicherheit kaum Spielraum. Der jetzige Rat hat sich auf den Weg gemacht, ein Mobilitätskonzept auf den Weg zu bringen.
Die Stadt Bochum steht ganz vorn bei Gebühren, etwa bei den Grundbesitzabgaben. Da könnte der Bürger entlastet werden.
Sekowsky: Wir haben das mitmachen müssen, weil wir im Haushaltssicherungskonzept sind. In dem Paket ist die Grundsteuer enthalten.
Kasper: Wir sind ‘ne Studentenstadt. Daher brauchen wir kleine, bezahlbare Wohnungen.
Wie soll dem Trend „Wegwanderung aus Bochum“ umgedreht werden?
Kasper: Ich finde den Kulturfaktor sehr wichtig. Wir konzentrieren uns viel zu sehr auf die Konsumkultur. Wir müssen den Leuten Raum geben zu gestalten, Kultur zu machen.
Sekowsky: Bochum fehlt Flair. Ich bin glücklich, dass die Universität jetzt den Weg in die Innenstadt gefunden hat und nun viele junge Leute dort sind.
Es gibt zu wenig Kinderspielplätze, Schwimmbäder, Hundewiesen in der Stadt. Es gibt in Bochum kein Schwimmbad, indem eine Rollstuhlfahrerin ins Becken kommen kann.
Sekowsky: In Wattenscheid sind wir mit Spielplätzen ausreichend und auch sehr gut ausgestattet sind. Die Schwimmbäder haben als erste gelitten unter den städtischen Finanzen.
Kasper: Ich sehe das so, dass sehr viele Spielplätze vermüllt sind. Das liegt oft daran, dass da zu wenig Mülleimer sind. Wenn neue Dinge gebaut werden, muss man darauf hören, was die Bürger sagen.
Wie stellen sich Piraten Bürgerbeteiligung vor?
Kasper: Die Veranstaltung im Ruhrcongress kein gutes Beispiel. Wir brauchen einen richtigen Bürgerhaushalt. Bei Großprojekten müssen die Bürger beteiligt werden. Ratssitzungen sollten mitgeschnitten werden dürfen.
Warum tut sich Bochum so schwer, den Bürger mitzunehmen?
Sekowsky: Von der Verwaltungsspitze können wir zur Zeit nicht soviel erwarten. Aber ich bin der Meinung, dass wir die Bürgerbeteiligung ausweiten müssen. Wir müssen unseren Ratssaal verlassen. Das wird aber mit einer solch konservativen Verwaltung sehr schwierig.