Bochum. Bochum liegt mit seiner Krankenhausdichte 50 Prozent über den Landesdurchschnitt. Den neuen Bedarfsplan müssen sie aber nicht fürchten. Auch wenn es Nachbesserungsbedarf gibt: Die Lage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist prekär. Die Gründung eines Zentrums für Sexuelle Gesundheit ist geplant.

Sie war Bergbau-Stadt, sie ist noch ein bisschen Auto-Stadt. Aber im Grunde genommen ist Bochum längst eine „Stadt der Medizin“, sagt Prof. Peter Altmeyer, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums. Beim Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft habe gerade „die Gesundheitswirtschaft gut gepunktet“, so Bürgermeisterin und Medizinerin Astrid Platzmann-Scholten im Rahmen eines Meinungsaustauschs zu den „Perspektiven örtlicher Gesundheitsversorgung“.

Als „Punktsieger“ darf sich die Stadt nicht zuletzt wegen ihrer großen Krankenhausdichte freuen. „Wir liegen 50 Prozent über dem Landesdurchschnitt“, sagt Dr. Eckhard Krampe, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung. Neun Häuser mit nahezu 3300 Betten gibt es im Stadtgebiet, darunter drei universitäre Einrichtungen (Bergmannsheil, Knappschaftskrankenhaus, St. Josef-Hospital), mit einem „unwahrscheinlich großen Einzugsgebiet“ (Krampe).

Keine großen Verschiebungen zu erwarten

Befürchtungen, der Krankenhausbedarfsplan 2015 des Landes NRW, könnte zu Einschnitten oder gar zur Schließung eines der Häuser führen, hat er nicht. Zwar soll landesweit die Bettenkapazität um etwa neun Prozent gesenkt werden, das wären in Bochum etwa 300 Betten. „Es ist aber davon auszugehen, dass große Verschiebungen nicht stattfinden“, so Krampe. Das liege an der zum Teil überregionalen Bedeutung der Häuser und einer längst auf den Weg gebrachten Konzentration und Spezialisierung.

„Wenn wir nur Regionalversorger wären“, so Professor Altmeyer, würde der Bedarfsplan wohl Folgen für die Krankenhauslandschaft in der Stadt haben. So sei damit aber nicht zu rechnen. Eher im Gegenteil. Gerade erst hat das Katholische Klinikum angekündigt, die Geriatrie des unlängst dazu gekauften Marien-Hospitals in Wattenscheid – schon heute in der größten in Deutschland – um drei Stationen zu erweitern.

Situation wird mit Krankenhausbedarfsplan nicht besser

Bundesweit liegt der Durchschnitt bei 61 Krankenhausbetten je 10.000 Einwohner, in Bochum liegt er, so Dr. Krampe, bei 86. Korrekturen könnte es wegen des demografischen Wandels womöglich bei der Geburtshilfe oder in Kinderabteilung geben. „Insgesamt ist hier für Bochum nicht zu befürchten, dass mit dem Plan eine Verschlechterung der Versorgung eintreten wird.“

Und doch steht noch nicht alles zum Besten. Wenn morgen die Kommunale Gesundheitskonferenz zusammenkommt, dann ist die prekäre Lage in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung ein wichtiges Thema. „Und die Situation wird mit dem Krankenhausbedarfsplan nicht wirklich besser“, so Astrid Platzmann-Scholten, die dennoch hofft, dass Gespräche mit dem Gesundheitsministerium Abhilfe schaffen. Zumal: Der Bedarfsplan sieht einen Ausbau der Bettenzahl im Bereich Psychiatrie/Psychosomatik von 16.000 auf landesweit 18.300 vor.

Ambulante Betreuung sei verbessert worden

Bochum müsste nach Einschätzung der Experten davon partizipieren – gerade bei der stationären Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Die Stadt „liegt weit über dem Landesdurchschnitt“, so Platzmann-Scholten. Nicht zuletzt schwierige soziale Hintergründe wie Armut oder Migration würden dazu beitragen. Von 2010 bis 2013 ist die Zahl stationärer Aufnahmen von 440 auf 509 gestiegen und daher die durchschnittliche Verweildauer angesichts der lediglich 45 Betten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Linden von 14,5 auf 11,5 Tagen gesunken. Immerhin, so KV-Bezirksstellenleiter Dr. Krampe, sei die ambulante Betreuung verbessert worden. 1999 habe es in der Stadt lediglich einen niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater gegeben, heute seien es 14; drei weitere könnten noch hinzukommen.

Neues Leuchtturmprojekt

Bochums Gesundheitswirtschaft könnte bald um ein Leuchtturmprojekt reicher sein. Dabei geht es um die Gründung des ersten deutschen Zentrums für Sexuelle Gesundheit nach dem Vorbild der GUM-Kliniken in England. Während dort die fächerübergreifende Behandlung von Patienten mit sexuell übertragbaren Krankheiten etabliert ist, fehlt sie in Deutschland noch. Die Zuständigkeit im Bereich Versorgung sexuell übertragbarer Infektionen (STIs) liegt bei verschiedenen Fachrichtungen.

Das soll sich ändern. Und Bochum soll eine Vorreiterrolle spielen. „Es gibt ein hochinteressantes Kooperationsprojekt“, so Bürgermeisterin Astrid Platzmann-Scholten, an dem das Gesundheitsamt, Pro Familia, Madonna, Rosa Strippe, Aids-Hilfe und die Dermatologische Klinik der RUB beteiligt seien. Im künftigen Zentrum für Sexuelle Gesundheit könnten „Leute anonym behandelt werden, die Regelversorgungen greifen, alle Schattierungen der sexuellen Gesundheit mitbedient werden“. Auch niedergelassene Ärzte sollen eingebunden werden.

Schwierigkeiten bei der Finanzierung

Federführend ist das Klinikum Bochum. Dessen Geschäftsführer Prof. Peter Altmeyer verschweigt nicht, dass es Schwierigkeiten bei der Finanzierung gibt, weil es „um einen Graubereich“ und vornehmlich um Beratungsleistungen gehe, die „im System nicht und nur unzureichend abgebildet werden“. Dennoch geht er vor einer Gründung des Zentrums vermutlich im Elisabeth-Hospital aus: „Ich denke wir kriegen das hin.“

Zumal der Bedarf steigt: „Wir haben auf dem Gebiet der STIs eine Versorgungslücke“, so Prof. Norbert Brockmeyer, HIV-Experte an der Dermatologischen Klinik der RUB und Sprecher des Deutschen Kompetenznetzes HIV/AIDS. In den vergangenen zehn Jahren habe es einen Anstieg der STIs um etwa 600 Prozent gegeben. Der Trend setze sich fort.