Am 25. Mai ist Europawahl. Auch die Deutschen wählen dann das neue Europaparlament – zumindest einige. Die Europawahl ist für viele Bürger hierzulande eher unwichtig, die Wahlbeteiligung sinkt mit jedem Urnengang. Kritiker verbinden mit der EU überbordende Bürokratie von Institutionen, deren Entscheidungen den eigenen Lebensalltag ohnehin kaum beeinflussen. Eurokritische Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) dürften problemlos den Einzug ins EU-Parlament schaffen.

Europa sei aber weit mehr als ein Bürokratiemonster in Brüssel und Straßburg, argumentiert dagegen Reinhold Karn, Geschäftsführer der Bürgerinitiative Europa-Union Bochum. Die überparteiliche Organisation setzt sich für den europäischen Einigungsprozess ein. „Europa hat an vielen Stellen in Bochum eine immense Bedeutung“, sagt er. Am deutlichsten sichtbar wird das durch zahlreiche EU-Förderprogramme. In den vergangen Jahren sind in viele Bochumer Kultur- und Stadtentwicklungsprojekte Millionensummen geflossen.

65 Millionen Euro in sieben Jahren

Der Großteil der Gelder stammt aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Rund 65 Millionen Euro flossen von 2007 bis einschließlich 2013 nach Bochum. Bekannte Projekte mit EU-Beteiligung sind unter anderem das Musikforum, der Schlosspark Weitmar und zahlreiche Radwege, berichtet Stadtbaurat Ernst Kratzsch, der bei seiner Arbeit täglich mit Richtlinien und Förderungen der Europäischen Union in Berührung kommt. „Im Regelfall trägt die Stadt Bochum bei EU-geförderten Projekten 20 Prozent der Kosten selbst, das Land NRW und die EU zahlen jeweils 40 Prozent“, rechnet Kratzsch vor. Auch Projekte an der Ruhr-Universität erhalten Millionensummen aus Brüssel.

In der neuen Förderperiode von 2014 bis 2020 sollen die EU-Gelder unter anderem für die neue Nutzung der Opel-Flächen, den Ausbau der Ruhr-Uni als Wissenschaftsstandort und für den energiesparenden Wohnungsumbau verwendet werden, kündigt der Stadtbaurat an.

Weitere Mittel fließen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in Bildungsprogramme oder an kleine und mittelständische Unternehmen. Sieben Bochumer Schulen nehmen zudem am Schulobstprogramm der EU teil. Auch das Jobcenter erhält Gelder für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

Rechtlich sei die EU zudem für die Bürger wichtiger als je zuvor. „Mehr als zwei Drittel aller deutschen Gesetze kommen inzwischen von der EU. Und das EU-Parlament spielt bei der Gesetzgebung eine wichtige Rolle“, wirbt Karn für einen Urnengang am 25. Mai. Die Deckelung der Roaming-Gebühren sowie die Diskussionen um Vorratsdatenspeicherung und Arbeitsnehmerfreizügigkeit sind prominente Beispiele für den Einfluss der EU auf das alltägliche Leben.

„Viele Bürger nehmen Europa und seine Einflüsse dennoch zu wenig wahr“, meint Karn. Das liege auch daran, dass das Parlament seine Beschlüsse nicht ausreichend kommuniziere. Bei den Medien herrsche zudem ein gewisses Desinteresse an europäischen Themen. Karn: „Auch die Parteien selbst stellen im Wahlkampf ja die kommunalen Themen in den Vordergrund. Die Europa-Programme kennt kaum jemand.“

Reinhold Karn hofft dennoch, dass durch die gleichzeitige Kommunalwahl mehr Leute zur Europawahl gehen werden : „Die Menschen sollten von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen und auch bei der Europawahl ihr Kreuz machen.“