Bochum. „Dieses Heim ist für Demenzkranke nicht geeignet.“ Bärbel und Helmut Wolf erheben Vorwürfe gegen die Senioreneinrichtungen Bochum (SBO). Deren Geschäftsführer Wolfgang Sendt widerspricht. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen würden altersverwirrte Senioren in den SBO-Häusern sehr wohl versorgt.
Seit Februar 2013 lebte der Vater von Bärbel Wolf im städtischen Altenheim an der Bayernstraße (84 Plätze). Die Tochter berichtet gegenüber der WAZ von „unhaltbaren Zuständen“. Die Mitarbeiter hätten es immer wieder versäumt, ihren an Demenz erkrankten Vater zum Essen anzuhalten: „Wenn wir kamen, hatte er häufig Hunger und Durst. Das Frühstück hatte das Küchenpersonal schon weggeschmissen.“ Regelmäßig sei sein Gebiss nicht eingesetzt worden. Im Kleiderschrank habe mit Urin durchnässte Unterwäsche gelegen.
„Entsetzt“ waren die Wolfs, als Vater vor wenigen Wochen im Sterben lag. Zwei Tage wachten Tochter und Schwiegersohn am Sterbebett. „Am zweiten Abend baten wir den Nachtdienst, uns sofort anzurufen, wenn sich etwas ändert. Doch wir wurden erst informiert, als Vater schon tot und der Notarzt längst weg war“, so das Ehepaar.
Anruf erfolgte 50 Minuten zu spät
Die SBO bestätigt die Darstellung vom Sterbetag. „Der Todeszeitpunkt war nicht abzusehen. Um 6 Uhr früh verständigten wir den Ärztlichen Notdienst. Zu diesem Zeitpunkt musste die Nachtschwester mehrere andere Notfälle betreuen. Die Information der Angehörigen erfolgte deshalb mit 50-minütiger Verspätung. Das tut uns leid, war an diesem frühen Morgen aber leider nicht anders machbar“, schildert SBO-Chef Wolfgang Sendt auf WAZ-Anfrage.
Energisch weist er sämtliche anderen Vorwürfe der Familie zurück. Zwar habe sich das Arbeitsumfeld in einem Altenheim deutlich verändert: „Das durchschnittliche Aufnahmealter liegt bei 85 Jahren. Jeder zweite Bewohner ist an Demenz erkrankt. Die durchschnittliche Verweildauer ist auf sieben Monate gesunken.“ Hinzu komme die angespannte Personalsituation. „Gleichwohl geben meine Kolleginnen und Kollegen alles, um die Bewohner ausreichend zu versorgen. Das gilt auch und vor allem für demente Senioren“, betont Sendt.
Welche Erfahrungen machen Sie mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen in den Bochumer Altenheimen? Wird insbesondere für Demenzkranke genug getan? Schreiben Sie an die WAZ-Redaktion, Huestraße 25 in 44787 Bochum; Mail: redaktion.bochum@waz.de
Alzheimer-Expertin: Mehr als Basisversorgung ist meist nicht drin
„Mehr als eine Basisversorgung ist meist nicht gewährleistet.“ Eva-Maria Matip von der DRK-Alzheimerhilfe kann Beschwerden von Angehörigen über mangelnde Versorgung in Alten- und Pflegeheimen gut nachvollziehen. „Doch gerade bei Demenzerkrankten lässt allein die Personalsituation in vielen Einrichtungen eine individuelle Zuwendung, wie sie diese Menschen besonders brauchen, kaum zu“, weiß die Alzheimer-Expertin.
Zwar seien inzwischen Betreuungsassistenten tätig, deren Zahl sich nach einem festen Personalschlüssel richtet. Gleichwohl herrsche vielerorts „Mangelverwaltung. Umgerechnet auf den einzelnen Bewohner bleiben pro Woche ein bis zwei Stunden. Die persönlichen Bedürfnisse bleiben da auf der Strecke.“
Der Rat der Fachfrau an die Angehörigen: „Pflegen Sie Ihren demenzkranken Vater, Ihre demenzkranke Mutter so lange wie möglich zu Hause. Das ist in aller Regel die beste Option für die von der Krankheit Betroffenen.“
Wichtig sei es dabei, alle Hilfen anzunehmen, die die Stadt, Pflegekassen, Verbände, Vereine oder Pflegedienste anbieten. „Informieren Sie sich über finanzielle Förderungen. Lassen Sie sich bei der Pflege oder Hausarbeit unterstützen. Nehmen Sie Beratungs- und Freizeitangebote wahr.“ So könne es vielfach gelingen, den Gang ins Altenheim wenn nicht zu verhindern, so doch deutlich hinauszuzögern.