Bochum. Jährlich wird 3000 der 190.000 Kunden der Stadtwerke der Strom abgedreht, weil Sie offene Rechnungen nicht bezahlt haben. Die Beratungsstelle im Rahmen des Projekts “NRW bekämpft Energiearmut“ bietet betroffenen Hilfe, doch diese kommen meist erst viel zu spät.

„Die Menschen kommen nicht um fünf vor zwölf zu uns“, beobachten die Schuldnerberater der Caritas, „sie kommen um viertel nach drei.“ Rafael Lech (34) ist diese fatale Zeitrechnung wohl bekannt. „Viele säumige Stromkunden suchen zu spät Hilfe“, bestätigt der Energieberater der Verbraucherzentrale.

Seit 2012 hält die Beratungsstelle an der Großen Beckstraße 15 im Rahmen des Modellprojekts „NRW bekämpft Energiearmut“ eine kostenlose Beratung eigens für Menschen vor, die von einer Stromsperre bedroht oder betroffen sind. Deren Zahl halten die Stadtwerke zwar für „vergleichsweise niedrig“.

Jährlich 3000 der 190.000 Kunden wird der Saft abgedreht. Rafael Lech indes kennt die Schicksale, die sich hinter den Zahlen auftun. „Mitunter stockt einem der Atem. Es gibt Bochumer, die seit einem halben Jahr ohne Strom leben. Und: Neben Hartz-IV-Empfängern können auch immer mehr Rentner und Arbeitnehmer mit geringem Einkommen ihre Stromrechnung nicht bezahlen. Jobverlust oder Scheidung können gleichfalls ganz schnell zu Notlagen führen“, schildert der Jurist, der seit Herbst 2013 das Landesprojekt in Bochum umsetzt.

Raten führen aus den Schulden

Es ist just die Phase, in der viele Kunden den schwerwiegendsten Fehler machen. Sie tauchen ab. Verzweifeln. Resignieren. Mahnungen (bei den Stadtwerken ab 100 Euro Zahlungsrückstand) werden ebenso ignoriert wie die Androhung einer Stromsperre (mindestens drei Tage vorher). „Ich hatte hier schon vier Kartons mit ungeöffneten Briefen stehen“, berichtet Lech, der aktuell 26 Fälle betreut.

3000 Sperren jährlich

3000 Stromsperren nehmen die Stadtwerke jährlich vor.

Waren oder sind Sie von einer Stromsperre betroffen? Handelt der Energieversorger mitunter zu rigoros?

Schreiben Sie an die WAZ-
Redaktion, Huestraße 35 in 44787 Bochum, E-Mail:
redaktion.bochum@waz.de

Am Anfang steht die Bestandsaufnahme. Wie hoch sind die Rückstände („Das geht bis zu 2000 Euro“)? Über wieviel Geld verfügt der Kunde? Wo kann er sparen? „Überflüssige Versicherungen, teure Handyverträge: Bei der Budgetberatung finden sich häufig Ausgaben, die man streichen kann. Manche leben über ihre Verhältnisse. Miete und Strom müssen oberste Priorität haben“, weiß Lech.

Ratenvertrag oder Darlehen

Zweiter Schritt: eine Zahlungsvereinbarung. Heißt: Ratenvertrag oder Darlehen. Zu den Stadtwerken gibt es kurze Wege. Immerhin ist der Energieversorger neben dem Jobcenter und Sozialamt Kooperationspartner. Bei anderen Anbietern fällt eine Einigung schwerer, ist aber gleichfalls möglich. Tipps der Verbraucherberater oder ein Stromspar-Check runden den Kampf gegen Energiearmut ab.

„Melden Sie sich! Wir finden einen Ausweg“, appelliert Rafael Lech. Damit die Uhr nicht schon viertel nach drei zeigt.

Offene Sprechstunde montags von 9.30 bis 11.30 Uhr. Weitere Termine: 0234/913 863 33; E-Mail: bochum.energiearmut@vz-nrw.de