Bochum. Das Schauspielhaus präsentiert eine Rekonstruktion eines Tanz-Klassikers. Susanne Linke bringt „Ruhr-Ort“ von 1991 mit Tänzern der Residence-Truppe von Renegade auf die Bühne der Kammerspiele
Brutale maskuline Energie wollte Susanne Linke 1991 mit ihrer Tanz-Choreographie „Ruhr-Ort“ zeigen. Das ist ihr so eindrücklich gelungen, dass ihre Einrichtung bis heute einen legendären Ruf in der Tanzwelt genießt. Jetzt erfährt sie eine „Rekonstruktion“ im Schauspielhaus. Die Neu-Inszenierung mit Tänzern der Residence-Truppe Renegade bewahrt dabei weitestgehend die Bewegungsmuster, die Bilder und die Musik. Neu ist aber die Umsetzung, die diesmal gekennzeichnet ist vom Aufeinandertreffen von klassisch ausgebildeten Tänzern und Hip-Hoppern und B-Boys.
Ein Missverständnis
Ein sich lang haltendes Missverständnis sei es, so Linke, ihr Stück als eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Arbeit im Ruhr-Gebiet zu verstehen. Die Choreographin, die seit vielen Jahrzehnten den Tanz in Deutschland maßgeblich beeinflusst und seit 2010 Folkwang-Professorin ist, sei zwar mit den Tänzern der Erstproduktion damals auf einer Zeche unter Tage gewesen und habe sich die unglaublichen Arbeitsbedingungen unmittelbar - und fürchterlich schwitzend - vor Ort angesehen, doch letztlich interessiere sie sich vor allem für die reine „maskuline Energie“. Diese sei, so die Choreographin fasziniert, sehr brutal, die Männer „gehen durch die Hölle, offen hinein in die Gefahr.“ Genau das sei das spannende Moment für sie, Politik und Historie interessierten sie hingegen weniger.
Gleichwohl spielt der gesellschaftliche Wandel der Region in der Neu-Konstruktion konzeptionell eine eindeutige Rolle. Die Tänzer von Renegade - durchschnittlich jünger als ihre Vorgänger - verfügten einen gänzlich anderen künstlerischen Background als jenes aus klassischer Tanztradition rekrutierte Ensemble, das Anfang der 90er-Jahre das hochenergetische und auch laute Überforderungs-Stück zu stemmen hatte. „Die jungen Leute bringen ganz automatisch in ihren Bewegungen etwas von dem hinein, was heute das Ruhrgebiet ausmacht“, so Linke. Daraus dürfte diese lokale Re-Konstruktion für viele Zuschauer sicherlich auch viel Spannung ziehen.
Immer noch Tränen bei der Musik
Zum festen Choreographie-Gerüst, dem großen Rahmen der dynamischen Bewegungsszenen und der immer noch beeindruckenden Original-Musik von Ludger Brümmer – „Mir kommen da immer noch die Tränen“ (Linke) – seien jetzt, nach über zwei Jahrzehnten, neue Videobilder der Produktionsfirma „fettFfilm“ gekommen. Diese repräsentierten das stete Voranschreiten entmenschlichter oder zumindest entkörperlichter Arbeit.
Premiere der neuen Einrichtung ist am Freitag, 24. Januar, um 19.30 Uhr in den Kammerspielen (Königsallee 15). Für die Premiere gibt es noch wenige Restkarten. (0234) 33 33 55 55.
Die Tänzer sind: Ibrahim Biaye, Alexis Fernandez Ferrera, Said Gamal Sayed Mohamed, Janis Heldmann, Paul Hess, Julio César Iglesias Ungo, Lin Verleger und Victor Zapata.
Weitere Termi ne von „Ruhr-Ort“ sind am 2.2, 19 Uhr, 8.2., 19.30 Uhr, 16.2., 19 Uhr, 19.2., 19.30 Uhr (Volle Hütte - alle Plätze 10 €), 1., 19. + 27.3., 19.30 Uhr. 3.4., 19 Uhr + 21.4., 19.30 Uhr.