Bei der 15. Hauptversammlung von Thyssen Krupp im Bochumer Ruhrcongress gibt es viele kritische Stimmen. Vorstands-Chef Hiesinger muss den Konzernumbau und seine Unwägbarkeiten erklären. Eine Dividende bekommen die Aktionäre nicht ausgezahlt.
Es ist nicht seine erste Hauptversammlung von Thyssen Krupp. Aber so ernüchtert wie diesmal ist Volker Gutbier noch nie angereist. „Was soll man schon erwarten“, sagt der 53-Jährige aus Lippstadt. Als Arbeitnehmer von Rote Erde Thyssen Krupp, dem zweitgrößten Arbeitgeber in seiner Stadt, und als Aktionär hat er gleichermaßen wenig Freude an seinem Unternehmen. So schlecht wie jetzt seien Lage und Stimmung noch nie gewesen – wobei der genaue Wortlaut deutlicher derber ausfällt als diese Umschreibung.
Er ist nicht der einzige Gast an diesem Freitagmorgen im Bochumer Ruhrcongress unter etwa 3000 Aktionären, der ein düsteres Bild malt. Peter Trube, Thyssen-Krupp-Betriebsrat in Duisburg, und schon seit langem im Unternehmen, sagt: „Ich glaube der Konzern ist in einer Schieflage.“ Der Baustellen gebe es viele. Sie fangen nach Einschätzung der Gewerkschaft damit an, dass sich der Vorstand eine – wenn auch vertraglich erlaubte – Gehaltserhöhung genehmigt, zugleich aber statt der vereinbarten 35 Stunden nur noch 31 Stunden die Woche gearbeitet werden soll, um 1 300 Arbeitsplätze zu retten. „Die Gehaltserhöhung passt nicht in die Landschaft“, sagt Trube.
Wie auch die Maßnahmen des Unternehmens zur Umstrukturierung aus Sicht des Metallers in die falsche Richtung zeigen. „Es gibt die Befürchtung, dass wir uns tot sparen.“
Entwicklung vor allem außerhalb Europas
Keine Dividende zahlt Thyssen Krupp seinen Aktionären für das abgelaufene Geschäftsjahr aus. Vorstandsvorsitzender Hiesinger: „Das muss und das wird sich ändern. Damit werden wir auch das Kapital der Aktionäre effektiver einsetzen als bisher und verlässlich Gewinne erwirtschaften.“
Entwicklungsmöglichkeiten sieht er dabei vor allem außerhalb Europas. Wachstum gebe es vornehmlich auf anderen Kontinenten.
Nicht nur die Metaller haben sich an diesem Morgen vor dem Ruhrcongress platziert, um auf ihre Interessen aufmerksam zu machen; zumal der Vorstand einen Protestbrief bislang unbeantwortet ließ. Einen Stand aufgebaut hat auch der Verband kritischer Aktionäre aus Köln, der vor allem auf vermeintliche Sünden rund um das Stahlwerk in Brasilien aufmerksam machen will. „Die Emissionen, die dort verursacht werden, wären in Deutschland nie möglich“, sagt Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands.
Ein Vorwurf, dem der Konzern ein wenig nonchalant zu umschiffen versucht, etwa in dem Vorstandsvorsitzender Heinrich Hiesinger in seinem Geschäftsbericht versichert: „Die Umweltschutzmaßnahmen, die die Behörden von uns erwarten und die wir mit ihnen vereinbart haben, sind rechtzeitig und fast vollständig umgesetzt.“ Draußen vor der Halle steht derweil der Brasilianer Marcos de la Costa Melo am Fair-play-Tisch und sagt: „Thyssen Krupp und die Regierung haben keinen Respekt vor den Fischern in Sepetiba.“
Drinnen spitzen vor allem Bochumer die Ohren, als Hiesinger auf Outokumpu zu sprechen kommt. Die Finnen haben von dem Revier-Riesen einst unter anderem die Mehrheit des Nirosta-Stahlwerks in Bochum erstanden. Nun werden sie auch die verbliebenen 29,9 Prozent übernehmen, womit Thyssen Krupp seine Verluste reduzieren will. Hiesinger: „Wir beenden alle weiteren finanziellen Verbindungen zu Outokumpu.“ Damit zieht sich der Konzern ein weiteres Stück von seinem zweitgrößten deutschen Standort zurück.
Stimmen
„Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer ist keine Lösung. Das haben andere Dax-Unternehmen schon gemerkt, die Arbeitsplätze wieder zurück nach Deutschland holen.“
(Peter Trube, IG-Metall-Mitglied und Betriebsrat bei Thyssen Krupp Steel in Duisburg)
Ich spreche Herrn Hiesinger nicht den guten Willen ab. Aber ein gut geführtes Unternehmen schaut nicht nur auf die Zahlen, sondern kümmert sich auch ökologisch und soziologisch um Nachhaltigkeit.“
(Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbandes der kritischen Aktionäre)
Was soll man schon erwarten? Im letzten Jahr hieß es, es gibt keine Entlassungen. Aber bei uns in Lippstadt wurden trotzdem 200 Zeitarbeitsverträge nicht verlängert. So schlecht wie jetzt war die Lage im Unternehmen noch nie.“
Volker Gutbier (Mitarbeiter und Aktionär aus Lippstadt)
Ich bin zum ersten Mal hier, früher bin ich den Einladungen zur Hauptversammlung nicht gefolgt. Aber ich hoffe, etwas für mein Studium mitnehmen zu können. Das Wichtigste ist, dass das Unternehmen das Problem des Stahlwerks in Brasilien löst.“
Arzu Körückcü, Aktionärin