Bochum.

Abscheu. Ekel. Flucht! Die Reflexe setzen zuverlässig ein. Es dauert einige Minuten, bis der Neuling in der johlenden Meute begreift: Die Kassierer sind mehr als Rockmusik. Sie kreieren eine Kunstform, die allein dem Lustprinzip gehorcht.

Diese Kunstform verstört und verachtet, provoziert und penetriert. In der „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“.

Seit sechs Wochen war die Zeche ausverkauft, als die (O-Ton) „vier Weisen aus Wattenscheid“ am Donnerstag eines ihrer raren Gastspiele im Bochumer Feindesland gaben. „Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen“: Die meisten der 800 Besucher beherzigen die Kassierer-Hymne schon vor Beginn: Druckbetankung vor den Zechentoren ist angesagt.

Text- und trinkfest folgen die erstaunlich jungen Fans dem Beispiel des dauerschluckenden Kultsängers Wolfgang Wendland (51). Die Pott-Punk-Pocke zieht oben- und untenrum alsbald erwartungsgemäß blank. „Es gibt Situationen, da ist einem alles egal“, grinst Wölfi: „Eine dieser Situationen ist mein Leben.“

Elogen wie „Blumenkohl am Pillemann“ und manche hier besser nicht beschriebenen Sketche: Die Kassierer, vier hochintelligente Köpfe, preisen auf der Bühne die sieben vermeintlich wichtigsten Dinge: Sex und Saufen. Für eineinhalb Stunden rufen sie die Anarchie aus (was Wölfi als Ex-Kanzlerkandidaten der Pogo-Partei besonders gut gelingt).

Die Fans genießen die Flucht aus dem reglementierten Alltag. Sie sind Prolls für 90 Minuten; Darsteller einer Performance, die so erbärmlich erscheint, dass sie fast schon wieder großartig anmutet.