Bochum.Wissenschaftler der Ruhr-Universität untersuchen U-Bahn-Systeme undHöhlen – neuerdings auch in der eigenen Lava-Höhle auf Hawaii
Schieben, drängeln, drücken – die U35 ist mit Start des neuen Semesters so voll wie nie. Rund 90 000 Fahrgäste quetschen sich täglich in die Waggons, ohne zu wissen, dass sie damit auch das Klima in Bochums Untergrund mitbestimmen. „Die Passagiere, aber auch die Beleuchtung und die Züge geben Energie ab. Hinzu kommt die natürliche Bodenwärme, die die Luft im Tunnel aufheizt“, erklärt Markus Brüne aus der Arbeitsgruppe Höhlen- und U-Bahn-Klimatologie an der RUB.
Während über Tage also schon der Eiskratzer zum Einsatz kommt, herrschen in der U-Bahn momentan noch mollige 20 Grad. Dabei gibt es in den weit verzweigten Systemen viel Bewegung, sagt Brüne: „Die erwärmte Luft im Tunnel steigt nach oben und sucht sich ihren Weg nach draußen. Dafür muss an anderer Stelle wieder kalte Luft einströmen.“ Eine natürliche Brise, selbst wenn keine Züge fahren, und die je nach Außenwitterung auch mal die Richtung ändert. Diese Prozesse wollen die Forscher vom Geographischen Institut verstehen und so die Luftbewegungen vorhersagen können.
Das soll künftig Leben retten, etwa bei Bränden oder gar Terroranschlägen mit Giftgas: „In komplexen Stationen wie z.B. dem Bochumer Hauptbahnhof gibt es meist mehrere Ausgänge. Je nach Hintergrundströmungen werden einige frei von Gas und Rauch bleiben, andere sehr schnell kontaminiert sein“, warnt der Experte. Elektronische Rettungsschilder könnten den schnellsten und sichersten Weg ans Tageslicht weisen. Die Daten dafür sammeln die Forscher schon seit vielen Jahren: Dortmund, München, Berlin, aber auch New York und die U-Bahn im britischen Newcastle haben sie untersucht und sind damit weltweit Vorreiter. „Messungen über einen so langen Zeitraum sind einzigartig“, sagt Markus Brüne. „Außerdem können wir Anschläge mit ungiftigen Tracergasen simulieren und die Strömungsrichtung verfolgen.“
Dabei fing alles nicht im Beton sondern in der Natur an: Ursprünglich erforscht die Arbeitsgruppe das Klima in Höhlen. „Besonders Eis- oder Tropfsteinhöhlen sind für uns wichtige Archive, in denen wir Klimaveränderungen ablesen können.“ Eingeschlossene Pollen zeigen z.B., welche Pflanzen früher vor Ort wuchsen. Mineralschichten, die sich wie Baumringe bilden, geben Rückschlüsse auf das Wetter von vor Jahrhunderten. „Wichtige Infos, die wir unbedingt sichern müssen, bevor es evtl. abtaut“, sagt Markus Brüne. Dabei hilft jetzt sogar eine Forschungsstation von AG-Leiter Prof. Dr. Andreas Pflitsch auf Hawaii, inklusive eigener Lava-Höhle. Schon drei Studentengruppen der RUB konnten dieses Jahr die unterirdischen Gänge im tropischen Paradies erkunden – auf jeden Fall eine schöne Alternative zur vollen U-Bahn.