Ingpuls, eine Startup-Firma aus Bochum, etabliert sich auf dem Wachstumsgebiet der Formgedächtnistechnik. Die Gründer haben an der Ruhr-Universität Bochum studiert und promoviert. In der ehemaligen Instandhaltungs-Werkstatt der Zeche Robert Müser entwickeln sie Werkstoffe der neuen Generation.
„Ingpuls“ hört sich nicht spannend oder sexy an. Aber die Geschichte über die Bochumer Startup-Firma liest sich wie das klassische Vorbild: vom Tellerwäscher zum Millionär. Es gibt eine pfiffige Geschäftsidee, eine große Portion Kreativität und jede Menge Stehvermögen. Selbst die äußeren Umstände passen perfekt. Nur dass die Geschichte nicht in einer Garage in Kalifornien spielt, sondern in der früheren Instandhaltungswerkstatt der Zeche Robert Müser am Werner Hellweg. Stoff, mit dem drei junge promovierte Maschinenbauer an einer vielversprechenden Firmengeschichte stricken.
André Kortmann, Burkhard Maaß und Christian Großmann kennen sich seit gemeinsamen Studienzeiten. Aus der ehemaligen Lerngruppe ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und einer zukunftsträchtigen Geschäftsidee geworden. Noch ist das Trio auf dem Feld der Innovationsdienstleistung tätig; für zum Teil namhafte Unternehmen erledigt es Projekte.
Das fing an mit dem ersten Auftrag 2008, als die Uni Witten eine Maschine bestellte, mit der Zahnbürsten im Dauertest unter die Lupe genommen werden. Seit dem hat sich Ingpuls als Maschinenbauer und -entwickler für High-Tech-Produkte auf metallische Werkstoffe spezialisiert. Im Bereich der „Formgedächtnistechnik“ hat es eine Marktnische mit Entwicklungspotenzial gefunden.
Energieeffizienz und Kostensenkung
Es geht um Energieeffizienz und Kostensenkung. Stichwörter, bei denen Firmen aus der Medizintechnik, der Automobilbranche und der Raumfahrt anspringen. „Wir stehen in Verhandlungen. Dabei geht es um Millionen und in einigen Jahren um 50 bis 500 Arbeitsplätze“, sagt Christian Großmann; Materialwissenschaftler wie seine Mitstreiter und bei Ingpuls für Marketing und Vertrieb zuständig.
Momentan lassen die Bochumer ihre „intelligenten“ Werkstoffe und Produkte noch am renommierten Institut für Werkstoffe der Ruhr-Universität produzieren – über einen Mietvertrag. Nächstes Jahr soll die Produktion in dem traditionsreichen Backsteingebäude am Werner Hellweg aufgenommen werden. Aus dem Loft, einer Halle, die momentan mit Rechnern, Bildschirmen und Stahlschränken vollgestopft ist und zwischen denen, in Kleidersäcken verpackt, die gelegentlich benötigten Businessanzüge hängen, wird das Trio in den angrenzenden Bürotrakt ziehen, der momentan umgebaut wird. Das schafft Platz für Produktion und Lager. Dabei geht es nicht um riesige Flächen. Ingpuls stellt keine riesigen Produkte her.
Formgedächtnistechnik
Wohl aber welche mit offenbar riesiger Effizienz und Zukunftsaussicht. Was Formgedächtnistechnik bedeutet, demonstriert Christian Großmann an einem Beispiel. Eine kleine „Stahlfeder“ zieht er auseinander, so dass die Spirale länger reicht und auch in dieser Position verharrt. Dann hält er ein Feuerzeug unter die Feder, die sich prompt in ihre Ursprungsform verwandelt. Was aussieht wie von Geisterhand bewirkt, ist letztlich pure Physik und Materie.
Die richtige Legierung, sorgfältig hergestellt, bewirkt diesen „Gedächtniseffekt“, der in der Industrie immer begehrter wird. „Zum Beispiel im Automobilbau“, so Großmann. Spiegel, die über Motoren bewegt werden, können mit Formgedächtnislegierungen, billiger und mindestens genauso zuverlässig bewegt werden. Für 20 statt für 40 Cent möglicherweise. Was sich bei Hunderttausenden oder Millionen Stückzahlen lohnt. Der Beispiele gebe es viele, der Anwendungen gebe es kaum Grenzen.
Erfolgreicher Strukturwandel
Ganz neu ist es nicht, was Großmann (31) und seine Kollegen, dem für die Finanzen zuständigen André Kortmann (32) und Legierungsfachmann Maaß (32), auf den Weg bringen. Es gebe Patente aus den 80er Jahren, auf denen das Trio aufbaut, sie weiter- und neu entwickelt. So sei es der Konkurrenz aus Japan, Italien und der USA voraus.
Dafür haben sie Doppelschichten geschoben. „Dreieinhalb Jahre haben wir nach der Arbeit an der Uni an unserer Firmenidee gearbeitet.“ Sie soll weiter wachsen. Ein Verkauf komme nicht in Frage, auch kein Standortwechsel. Sie wollen es hier schaffen mit dem Strukturwandel der zweiten Generation. Das soll auch sichtbar sein. Wenn der Bürotrakt fertig ist, wird eine „Schwarze Barbara“, die Schutzheilige der Bergleute, über dem Eingang hängen.
Wenig Unternehmergeist an der RUB
Vernetzung von Universität und Wirtschaft. Das ist einer der Effekte, den sich die Stadt Bochum vom großen wissenschaftlichen Betrieb an den sieben Hochschulen in der Stadt erhofft. Arbeit und Wachstum zu schaffen, darum geht es.
Bislang allerdings ist eine „Ausgründung“ wie die der Ingpuls GmbH, eher die Ausnahme. Im „Gründungsradar“, einem vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierten und vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft umgesetzten Hochschulrankings für größere Universitäten, taucht die Ruhr-Universität Bochum nur im unteren Drittel auf, so Projektleiterin Barbara Grave. „Da gibt es noch Entwicklungspotenzial.“ Als Gründe macht sie unter anderem die Größe der RUB aus. Außerdem habe der Gründergedanke offenbar noch nicht genügend Einzug gehalten.
Das Ingpuls-Trio profitiert von der Nähe zur Uni. Dort hat es sein umfassendes Wissen erfahren und rekrutiert zum Teil auch an der RUB sein Personal.
Das allein indes reicht nicht. So hat sich Christian Großmann intensiv bei Gründermessen getummelt, hat gelernt, Businesspläne zu schreiben oder Kosten und Preise zu kalkulieren. „Der Austausch untereinander ist hilfreich“, bricht er eine Lanze für Gründermessen. Den ersten Auftrag hat Ingpuls nach einem Treffen auf einer solchen Messe bekommen.