Wie fühlt sich ein 14-jähriger Jude allein unter Nazis, wie findet er sich zurecht? Gespannt und gut vorbereitet empfingen am Montagmittag rund 200 Schüler des Alice-Salomon-Berufskollegs, Sally Perel. Er tauchte als Jude unerkannt in einer Eliteschule der Hitlerjugend unter und überlebte so die Schrecken des Holocausts.

Seine Jugend verarbeitete Perel in dem Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“, das 2004 verfilmt wurde. Film und Auszüge des Buches ermöglichten den Jugendlichen vorab einen Einblick in das Leben von Perel. „Das Thema löste viel Neugier aus. Vor allem das System der Eliteschulen in der Nazi-Zeit hat die Jugendlichen sehr interessiert“, sagte Lehrerin und Organisatorin Jutta Hercher. Schüler selbst hatten den Besuch des Zeitzeugens angeregt.

Bei der persönlichen Begegnung mit dem 88-jährigen Gast aus Israel durften die jungen Zuhörer dann auch einen Erzähler genießen, der seine Geschichte in den Köpfen der Menschen lebendig werden lässt. Er nahm die Jugendlichen mit auf eine Reise in die eigene Vorstellungskraft und plauderte zwischendrin über Facebook und seine Vorliebe für blonde Frauen.

Sally Perel berichtete von dem Schock, den er als Kind erlitt, als er, in Folge der Nürnberger Rassengesetzte in 1935, von der Schule verwiesen wurde. „Nach dem Inkrafttreten wurden die Juden verfolgt und der Völkermord gesetzlich durchgeführt“, erläuterte Perel. Bis dahin erlebte er eine glückliche Kindheit im niedersächsischen Peine. Sein Weg führte ihn von seinen Eltern fort. Er geriet als jüdischer Junge in Hitlers Wehrmacht. Die Lüge, ein „Volksdeutscher“ zu sein, rettete Perel das Leben. Er lebte fortan als Josef Perjell unter den deutschen Nazis. Von seiner Zeit an der Ostfront schilderte er eine große Freundschaft zu einem Homosexuellen, der ihm zuvor nachstellte und bei einem Vergewaltigungsversuch die Beschneidung des Jungen entdeckte.

Die anschließende Zeit in einer Eliteschule der Hitlerjugend in Braunschweig lässt Perel als geteilten Menschen zurück. „In mir entstand eine zweite Seele, ein Hitlerjunge, sogar ein begeisterter Hitlerjunge“, berichtete Perel, dem es gelingt, seine Seelenqualen im Raum spürbar zu machen. Die Verführbarkeit der Jugend, aber auch der Masse, wurde durch seinen Bericht eine greifbare Gefahr: „In einer Masse gibt es kein kritisches Denken, eine Herde folgt einem charismatischen Anführer schnell.“

Perel reist heute wieder gerne nach Deutschland, doch ist zutiefst enttäuscht von rechtsextremen Tendenzen wie dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). „Dass sie frech aufmarschieren und Auschwitz auch noch leugnen!“ – das muss für den Hitlerjungen Salomon unerträglich sein.