Bochum.. Im Ortsverein Grumme ist die Enttäuschung über den Koalitionsvertrag groß. Beim Jahresabschlusstreffen stand der Koalitionsvertrag zur Debatte. Manch ein Genosse fühlt sich „verarscht“. Aus Angst vor Neuwahlen werden beim Mitgliedervotum vermutlich dennoch viele mit Ja stimmen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel wären am Freitagabend vermutlich die in der Gaststätte Waterkuhle servierten Schnitzel im Hals steckengeblieben, wenn er die Diskussion über seine geplante Große Koalition im Ortsverein Grumme miterlebt hätte. Nur einer von 15 Genossen zeigte auf, als der Vorsitzende Dirk Eckardt fragte: „Wer kann dem Koalitionsvertrag etwas Positives abgewinnen?“

Klar, der vereinbarte Mindestlohn und die Rente mit 63 nach 45 Arbeitsjahren sind ganz nach dem Geschmack der Mitglieder. Die Details indes stoßen auf Kritik. „Das ist nicht die Solidar-Rente der SPD, sondern die Lebensleistungsrente von von der Leyen“, sagte Karl-Heinz Meier, dem „130 Prüfaufträge und viel Wischi-Waschi“ im Koalitionsvertrag sauer aufstoßen.

Mit 60 müsse nach 45 Versicherungsjahren Schluss sein, stattdessen erhöhe sich das Renteneintrittsalter von 63 sukzessive wieder auf 65. Meier: „Da fühle ich mich verarscht.“ Kritik übten die beim Jahresabschlusstreffen anwesenden Mitglieder des 86 Köpfe starken Ortsvereins auch am vereinbarten Mindestlohn von 8,50 Euro. „Das ist eine Mogelpackung, in Wirklichkeit gilt er ja erst ab 2017“, hieß es. Insbesondere Mitglieder von Gewerkschaften, die mit Arbeitgebern niedrigere Tarife vereinbart hätten, seien gekniffen. „Dafür haben wir nicht vier bis fünf Wochen Wahlkampf gemacht.“

"Liebe ist nicht vorhanden"

Die geplante Ehe mit der CDU müsse man sich ohnehin schönreden, denn „Liebe ist nicht vorhanden, bei den meisten Genossen gibt es eine generelle Ablehnung“, so Hans Bösicke. „Die Parteispitze aber erwartet, dass bei uns die Vernunft siegt.“ Der vorliegende Koalitionsvertrag müsse aus zwei Perspektiven betrachtet werden: „Ist das Ergebnis positiv für unsere Gesellschaft oder positiv für die SPD?“ Meier: „Wir können machen, was wir wollen, der Arsch bleibt immer hinten.“

Zu spüren in der Waterkuhle war am Freitagabend aber nicht nur das durch ein vier DIN-A4-Seiten starkes Statement des Dortmunder Bundestagsabgeordneten Marco Bülow untermauerte Nein zum Koalitionsvertrag, sondern auch die Angst vor Neuwahlen, die die SPD-Basis hat. „Wer soll denn dann antreten, wer soll die Partei führen“, fragte sich ein Mitglied. Klar sei doch, „dass dann die FDP oder die AFD Angela Merkel zu einer Mehrheit verhelfen werden.“

Apropos Mehrheit: Das nur 20 Prozent der SPD-Mitglieder beim Votum mitmachen müssen, finden die Genossen in Grumme falsch. „Zwei Drittel sollten es schon sein, die Ansprüche an unsere Genossen können wir ruhig höher stellen“.