Bochum. Der Bochumer Zivilrichter Paul Kimmeskamp beklagt, dass Richter zu viel arbeiten müssen und gleichzeitig eine Doppelnullrunde hinnehmen müssen. Er ist einer der neun Richter im NRW-Hauptrichterrat. Jetzt geht der 65-Jährige nach 35 Dienstjahren in den Ruhestand.

Der Bochumer Amtsrichter Paul Kimmeskamp (65) geht nach 35 Dienstjahren in den Ruhestand. Er werde, sagt er, „rausgeschmissen, weil Richter nicht verlängern dürfen“. Die WAZ sprach mit ihm.

Es gibt kaum einen Anwalt in Bochum, der Sie nicht kennt.

Paul Kimmeskamp: In Bochum habe ich rund 20.000 Fälle bearbeitet und sicher - Zeugen mitgerechnet - zu mehr als 100.000 Menschen Kontakt gehabt. Das wäre dann jeder dritte Bochumer - wenn nicht einige häufiger gekommen wären...

Früher waren Sie auch Richter am Gericht in Wattenscheid.

Kimmeskamp: Ich war der letzte Richter dort. Ich habe Zivilsachen dort gemacht bis zur Aufgabe des Gerichts 1978. An die sehr schöne und persönliche Atmosphäre dieses kleinen Gerichts - mit vier Richtern und 20 Mitarbeitern - erinnere ich mich mit etwas Wehmut.

Sie sind einer der neun Richter im NRW-Hauptrichterrat, der die Interessen Ihrer Kollegen in NRW vertritt. Wie lautet Ihre Bilanz?

Kimmeskamp: Diese Tätigkeit hat mich eigentlich frustriert, weil wir wenig erreicht haben. Trotz einer Arbeitsbelastung von 125 Prozent des Zumutbaren - das ist durch unabhängige Sachverständige festgestellt worden - werden uns Richtern seit Jahren reale Einkommensverluste zugemutet. Die Geldentwertung wird nicht einmal aufgefangen. Und das gipfelt jetzt in einer Doppelnullrunde: Zwei Jahre kein Cent mehr.

Vom Einkommen her an vorletzter Stelle vor Moldawien

Verdienen Richter woanders mehr?

Kimmeskamp: Im Europa-Vergleich der Richtereinkommen liegen wir an vorletzter Stelle, nur noch vor Moldawien, die jeweiligen Lebenshaltungskosten natürlich mitberücksichtigt.

Wie konkret ist die Arbeitsbelastung für Richter?

Kimmeskamp: Der Arbeitsaufwand für eine 40-Stunden-Woche ist durch eine Gutachter-Kommission im Auftrag der Justizminister festgestellt worden. Dabei kam heraus: Da wir zu wenig Richter haben, wird uns ein Aufwand zugemutet, der einer 50-Stunden-Woche entspricht. Wir haben pro Jahr und Richter 600 neue Fälle zu bearbeiten. Vorgegeben sind aber knapp 500.

Gibt es weitere Ziele des Hauptrichterrates?

Kimmeskamp: Unserem großen Ziel der richterlichen Selbstverwaltung - in Europa weithin selbstverständlich und vom Europa-Parlament angemahnt - sind wir keinen Schritt näher gekommen. Der Minister, die Exekutive, hat über uns zu sagen, weil er uns ernennt und befördert. Wie sagte schon Bismarck: Die Richter können so unabhängig sein wie sie wollen - so lange ich selbst sie befördere. Unabhängig sind wir nur, wenn von uns gewählte und vom Parlament kontrollierte Gremien über unsere Karriere entscheiden.