„Warm heute“, stellt eine ältere Dame nicht als erste fest, als sie am Dienstagnachmittag mit einem Tannengesteck auf dem Arm die Friedhofsgärtnerei Hase und Stötzel am Freigrafendamm betritt. Dennoch trotzt die Frau den ungewöhnlichen Temperaturen in der zweiten Oktoberhälfte: Als eine von wenigen Privatleuten hält sie sich mit der Grabpflege zur Vorbereitung auf den Winter an den traditionellen Rhythmus.

„Normalerweise würde jetzt schon viel mehr Tanne gekauft“, sagt Bärbel Stötzel, die Seniorchefin der Friedhofsgärtnerei unweit des Hauptfriedhofs. Doch in diesem Oktober kommen bislang wenige, die die Gräber ihrer Angehörigen noch innerhalb der nächsten zehn Tage winterfest machen wollen. „Bei den Temperaturen denken die Leute nicht daran, dass in anderthalb Wochen Allerheiligen ist“, so Stötzel, „das ist Gartenwetter!“

Rhythmus ist flexibler geworden

Außerdem werde der Rhythmus, den das Kirchenjahr vorgibt, heute nicht mehr von allen so streng eingehalten wie in früheren Jahrzehnten, als Katholiken besonderen Wert darauf legten, vor dem 1. November die Grabbepflanzung für die kalte Jahreszeit zu bestellen.

„Die Zeiten haben sich geändert. Vielen macht es auch nichts aus, die Bepflanzung noch zwischen Allerheiligen und Totensonntag zu erneuern. Durch die Witterung verschiebt sich alles“, sagt Stötzel, die seit 55 Jahren in dem Laden arbeitet, der schon seit 69 Jahren in Familienhand ist. Außerdem vermutet sie, dass auch aufgrund der Herbstferien einige erst später in ihr Geschäft kommen werden.

Das einzige, was schon jetzt viel nachgefragt werde, seien die Eriken, die mit ihren robusten, weißen bis rötlichen Knospenblüten einen Farbtupfer auf die herbstlichen Gräber bringen, der auch noch in den Winter hinein erhalten bleiben wird.

Für die Gärtnerei Hase und Stötzel selbst, deren Hauptgeschäft die Grabpflege darstellt, ändert die „Hitzewelle“ derzeit jedoch nichts. In den vergangenen Wochen hatten die Angestellten alle Hände voll zu tun, um die Sommerbeflanzung rechtzeitig vor Allerheiligen zu entfernen und die Gräber neu zu bepflanzen. So wichen Eisbegonien oder Geranien Eriken und anderen winterharten Gewächsen wie Aster oder Alpenveilchen. Die Gräber, die nicht durch Bodendecker begrünt sind, wurden mit Tannenzweigen oder Piniengranulat bedeckt, so dass sie auch im Winter ansehnlich bleiben. „Wir sind mit der Winterbepflanzung in der Regel zwei Wochen vor Allerheiligen fertig“, so Stötzel, „zur Zeit fegen wir nur noch.“