Bochum. Mit einer besonderen Methode will Dr. Andre Wannemüller die Angst vor Spinnen nehmen. Ganz behutsam geht er vor und gewöhnt den Probanden erst aus der Distanz und später aus der Nähe an diese Tiere. Wie es genau funktioniert, erfuhr die Reporterin bei einer kleinen Demonstration.
Spinnen sind total harmlos und nützlich. Ja, klar. Für mich sind sie einfach nur eklig. Krabbeln sie plötzlich los, bricht pure Panik aus. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung geht es ähnlich – zum Teil aus Ur-Instinkten, zum Teil, weil sich die Achtbeiner so unkontrolliert fortbewegen. Doch heute soll alles anders werden. Psychotherapeut Dr. André Wannemüller will mir die Angst nehmen und bald noch vielen weiteren Spinnenphobikern in einer großen Gruppentherapie helfen.
Gemeinsam mit seinen Studenten erforscht der „Spiderman“ der Ruhr-Uni, wie sich der Ekel abbauen lässt. „Wir fangen behutsam an. Betroffene sollen erst einmal mit dem fremden Tier in Kontakt kommen, zunächst hinter Glas.“ Auch ich muss genau hinschauen: Beinchen, Musterung, Greifzangen – wie sieht das eigentlich alles aus? Was kann eine Spinne damit und was nicht? „Viele fürchten, regelrecht angefallen zu werden, die Spinne rast los und verbeißt sich. Das ist natürlich nicht so“, beruhigt der Experte. „In Deutschland gibt es keine gefährlichen Arten. Außerdem versuchen die Tiere, immer so weit wie möglich von uns wegzukommen.“
Auch die flinke Hauswinkelspinne im Glas vor mir. Damit ich mich an ihre Bewegungen gewöhne, stupst Dr. Wannemüller sie mit einem Stäbchen an, dann muss ich stupsen. Der Stab wird immer kürzer, schließlich traue ich mich sogar mit dem Zeigefinger ran. Unfassbar. Nach gerade einmal 20 Minuten. Der Vorführeffekt macht das möglich: „Indem ich die Nähe angstfrei vormache, zeige ich, wie unbedrohlich die Situation ist.“
9 von 10 Patienten kann in nur einer Sitzung geholfen werden
Als nächstes lässt er sie über seine Finger krabbeln – und mit etwas Überwindung irgendwann auch über meine. Etwas warm wird mir schon mit der Spinne auf der Hand, aber von Panik keine Spur mehr. Geschafft!
9 von 10 Patienten kann Dr. Wannemüller so in nur einer Sitzung helfen. Diese Erkenntnisse will der Psychotherapeut jetzt in den Hörsaal übertragen. Im November bietet er erstmals eine Gruppentherapie an, um Hunderten Betroffenen gleichzeitig zu helfen. „Wir zeigen Videos und sprechen mit Spinnenexperten. Es sind aber auch live Tiere da, die später berührt werden dürfen.“ Außerdem können Freiwillige an einem anonymen Gentest teilnehmen: „So untersuchen wir Stresshormone und bestimmte Gene, die bei Angst-Prozessen eine Rolle spielen.“ Damit auch bei mir die neu gewonnene Tierliebe kein kurzfristiger Erfolg bleibt, gibt Dr. Wannemüller mir noch eine Hausaufgabe: „Im Keller mit den Spinnen anfreunden.“
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