Bochum.

Zum Spielzeitauftakt am Schauspielhaus inszeniert Jan Neumann Maxim Gorkis Drama „Wassa Schelesnowa“ als Showdown zwischen zwei Frauen, die für verschiedene gesellschaftliche Systeme stehen. Ein starkes Ensemble trägt den Abend.

Feine Dame gegen Guerillera, Kapitalistin gegen Sozialistin, Schwiegermutter gegen Schwiegertochter: In Maxim Gorkis Drama „Wassa Schelesnowa“ spitzt sich die Frage, wie eine herrschende Gesellschaft in Zukunft verändert werden könnte, auf den Konflikt zweier Frauenfiguren zu. Wassa Schelesnowa (Katharina Linder), die Unternehmerin, und Rachel (Bettina Engelhardt), die sich für eine nicht näher bezeichnete „Revolution“ ereifert. Und die für ihre Sache auch schon mal in der Manier der „Femen“-Frauen blank zieht.

Das Publikum in den Kammerspielen erlebte bei der Spielzeit-Auftaktpremiere am Donnerstag in dieser von Bettina Engelhardt mit radikaler Wucht gestalteten Szene einen späten Aha-Effekt. Denn Jan Neumann inszeniert das 1935 geschrieben Gorki-Stück zwar ganz zeitgemäß, aber anfangs hat man den Eindruck, dass die Aufführung nicht wirklich voran kommt. Ohne Sperenzien wird die Geschichte zweier Persönlichkeiten ausgestellt, die für antagonistische Weltanschauungen stehen, den Kapitalismus halt, und eine wie auch immer geartete Utopie.

Gleichwohl lässt sich das gut ansehen. Als kompaktes Kammerspiel wird die gestörte Familiengeschichte der Wassa aufgefächert: ihr Mann (haltlos: Klaus Weiss) ein Kinderschänder, ihr Bruder (geil und verschlagen: Roland Beyer) ein Schwerenöter. Ihre Töchter (lasziv & rotzig: Therese Dörr, putzig & bös’: Friederike Becht) sind der Unternehmerin ein Klotz am Bein. Deutlich wird: Hier geht eine Frau „über Leichen“, das Wohl der Firma steht immer über dem der Familie.

Die überaus präsente Katharina Linder gibt diese gegen sich selbst und andere so harte Wassa als robustes Weibsbild, an dessen „Panzer“ alles abzuprallen scheint - bis sie am Ende der Schlag trifft. Rachel, die ihr unentwegt Vorhaltungen macht, aber ihre eigenen Kinder für IHRE Sache ebenfalls vernachlässigt, kommt taff wie eine RAF-Braut mit Perücke und Sonnenbrille ‘rüber, und greift schließlich wirklich zur Knarre.

Die lineare Erzählstruktur bricht Neumann nur einmal auf, in einer wüsten Partyszene, bei der in Wassas Abwesenheit deren Entourage sich küssend und kopulierend dem Alkohol hingibt (notabe: degenerierte kapitalistische Gesellschaft!), was am Ende freilich auch nichts hilft. Wie geht’s weiter? Das Alte, scheint es, hat sich überlebt, das Neue, scheint es, kann sich nicht wirklich behaupten: Die Parallelen zur Jetztzeit (Turbokapitalismus vs. Occupy) werden dem Publikum nicht mit der Pipette, sondern mit voller Kelle verabreicht.

Gleichwohl ist „Wassa“ eine sehenswerter Aiufführung, die vor allem von den Schauspielern lebt. Noch die Nebenfiguren (Daniel Stock als servile Sekretärin, Anna Döing als pummeliges Dienstmädchen) sind top besetzt.