Bochum. . Die Politik klagt über die sinkende Wahlbeteiligung. Die Gemeinschaftsschule Bochum-Mitte zeigte bei derU 18-Wahl, wie nahezu 100 Prozent zu erreichen sind: Man bringe die Wahlberechtigten in Kohorten an die Urne.
„Die Klassen werden komplett hereingeführt. Keiner kann sich drücken“, schmunzelt Birgit Linden, Leiterin der Gemeinschaftsschule an der Gahlenschen Straße, die sich am Freitag an der „kleinen“ Bundestagswahl beteiligte. Neun Tage vor dem offiziellen Kreuz-Gang waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bundesweit zu dem Stimmungstest aufgerufen. Die Resonanz in Bochum war gut. In zehn Schulen, Freizeithäusern, Bürgerzentren, beim Jugendrotkreuz: 31 Wahllokale hatte der Kinder- und Jugendring stadtweit eingerichtet. Die Papp-Urnen und Sichtblenden sind Originale: ausgemustert von der Stadt. Spannend: Die Wahlzettel mit Erst- und Zweitstimme entsprechen den Listen vom 22. September – vom knallroten Aufdruck „Muster: U18-Wahl“ abgesehen.
Siebtklässler als Wahlhelfer
In der Gemeinschaftsschule in Hamme wurde der Differenzierungsraum ab 8 Uhr zum Wahllokal umfunktioniert. Als Wahlhelfer vorn am Tisch im Einsatz: Melina Glatzer und Jasmin Laubecher, beide zwölf, beide aus der 7. Klasse. Auf YouTube hatten sie sich zuvor angeschaut, wie es in einem „richtigen“ Wahllokal zugeht. Akribisch füllten sie das Ehrenamt aus: Jeden Wähler (insgesamt 290 Schüler) auf der Namensliste abhaken. Darauf achten, dass jeder Schüler allein hinter die Sichtblende tritt. Obacht geben beim Einwurf der gefalteten Zettel in den Schlitz.
Welchen Kandidaten, welche Partei die Zehn- bis 13-Jährigen ankreuzten? Schweigen. „Wahlgeheimnis!“, ruft Melina. Kein Geheimnis ist, dass die Jungen und Mädchen auf die Wahl vorbereitet wurden. Im Gesellschaftslehre-Unterricht informierten sie sich über die einzelnen Programme.
Genau das ist es, was Rolf Geers, der Geschäftsführer des Kinder- und Jugendrings, so wichtig findet. Politik, weiß er, gilt bei Kindern und Jugendlichen als wenig cool. „Die U 18-Wahl bringt ihnen die Politik näher, befähigt sie, ihre eigenen Interessen zu erkennen, und ermutigt sie, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Lebensumwelt zu beteiligen und sich in gesellschaftliche Diskussionen und politische Prozesse einzumischen“, heißt es im Aufruf des Jugendrings. „Wir bemühen uns jeden Tag, die Schüler zu Verantwortung und Selbstständigkeit zu führen“, ergänzt Schulleiterin Birgit Linden. „Das gelingt mit der U 18-Wahl hervorragend. Zugleich werden die Schüler mit dem Wahlrecht und dem Ablauf einer Wahl vertraut gemacht.“
Demokratie so früh wie möglich lernen und leben: Bochum ist auf diesem Weg ein gutes Stück näher gekommen, glaubt Rolf Geers, der sich am Abend riesig freute, als feststand, dass nicht nur die erhofften 1000, sondern 3480 Schüler teilgenommen haben.
Über die Quote der Gemeinschaftsschule bleibt nachzudenken. „Wie wir als Schulklasse“, schlägt ein Schüler vor, „könnten die Erwachsenen ja straßenweise in die Lokale gebracht werden.“
Das Ergebnis
Das vorläufige Wahlergebnis (eine Schule hat es bis zum Abend versäumt, ihre Resultate an den Kinder- und Jugendring zu übermitteln):
Zweitstimmen
CDU: 18,7 %
SPD: 36,6 %
FDP: 3,4%
Grüne: 13,1 %
Die Linke: 8,3 %
Piraten: 10,4 %
NPD: 4,8 %
Sonstige: 3,6 %
Erststimmen:
Bundestagswahlkreis 140:
Norbert Lammert (CDU): 23,6 %
Axel Schäfer (SPD): 37,7 %
Dennis Rademacher (FDP): 2,8 %
Frithjof Schmidt (Grüne): 9,3 %
Sevim Dagdelen (Linke): 10,3 %
Christina Worm (Piraten): 8,2 %
Claus Cremer (NPD): 4,6 %
Vesna Buljevic: 0,9 %
Erststimmen:
Bundestagswahlkreis 141:
Ingrid Fischbach (CDU): 19,8 %
Michelle Müntefering (SPD): 47,2 %
Frank Leschowski (FDP): 3,2 %
Sabine von der Beck (Grüne): 10,7 %
Markus Dowe (Linke): 5,2 %
Andreas Prennig (Piraten): 8,9 %
Markus Schumacher (NPD): 4,6 %
Peter Weispfennig (MLPD): 0,1 %