Bochum/Herne. Bei Ermittlungen wegen Unfallflucht setzt die Polizei ein neues Mittel ein: Sie klebt die Schadensstellen am Autoblech mit speziellen Folien ab und untersucht sie unter einem Mikroskop. Polizeihauptkommissar Herbert Niehaus ist mit der neuen Methode hundertprozentig zufrieden.

Für Kraftfahrer, die nach einem Blechschaden ohne sich zu kümmern einfach abhauen, sind härtere Zeiten angebrochen. Das Gleiche gilt für diejenigen, die mit ihrem Fahrzeug selbst irgendwo entlanggeschrammt sind und dies nachher bei der Polizei anzeigen, um es einem Unbekannten in die Schuhe schieben zu wollen. Die Bochumer Polizei ermittelt in solchen Fällen neuerdings mit einer speziellen Klebefolie, die die Aufklärungsquote nach oben treibt.

„Wir sind mit der Folie 100-prozentig zufrieden“, sagte am Freitag Polizeihauptkommissar Herbert Niehaus, der die Unfallflucht-Abteilung im Verkehrskommissariat 1 leitet, auf Anfrage der WAZ.

Zeigt ein Geschädigter einen Bechschaden an, kleben die Polizisten eine Klarsichtfolie auf die Schadensstelle. Diese Folie nimmt auch Partikel auf, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind. Die Folie wird später im Büro unter ein Mikroskop gelegt, das die Partikelspuren 500-fach vergrößert auf einen PC-Bildschirm überträgt. Dort kann die Polizei sehr viel besser als bisher erkennen, welche Fremdfarbe dort hinterlassen worden ist. Das erleichtert die Suche nach dem Verursacher ungemein; zumal dann, wenn es Zeugenhinweise auf verdächtige Wagen gibt. Denn dann klebt die Polizei auch auf diesen Fahrzeugen die neue Folie auf und gleicht die Spuren - auch ihre Höhe und Breite - mit denen vom geschädigten Wagen ab.

Bei der Vernehmung fließen Tränen

Gleichzeitig kann die Polizei mit der Folie auch erkennen, ob überhaupt eine Unfallflucht vorliegt - oder nur das Vortäuschen einer solchen. Denn viele Kraftfahrer, die selbst gegen eine Leitplanke, einen Pfosten, eine Mauer oder einen Zaun gefahren sind, gehen zur Polizei und behaupten, das habe ein Fremder verursacht. Anhand der Computerbilder von der Schadensstelle kann die Polizei oft genau sagen, ob der Anzeigenerstatter lügt: Sollten auf der Folie unter dem Mikroskop Spuren zu sehen sein, die wie Würmchen aussehen, spricht dies für einen reellen Unfall mit einem anderen Fahrzeug, denn diese Würmchen entstehen, wenn Lack auf Lack trifft. Wenn aber nur raspelartige Spuren zu sehen sind, spricht dies für eine Berührung des Lackes mit anderen Hindernissen.

Die Spuren auf der Klebefolie werden unter ein Mikroskop gelegt, das die Bilder auf einen PC-Bildschirm überträgt.
Die Spuren auf der Klebefolie werden unter ein Mikroskop gelegt, das die Bilder auf einen PC-Bildschirm überträgt. © WAZ FotoPool / Olaf Ziegler | WAZ FotoPool / Olaf Ziegler

In solchen Fällen werden die Anzeigenerstatter vorgeladen. Niehaus: „Die sitzen dann hier bei der Vernehmung und sind in Tränen aufgelöst.“ Rund 30 Prozent der Unfallflucht-Anzeigen hätten diese Täuschungsabsicht. Die Motive der Falschanzeigen wegen Unfallflucht sind nicht nur versuchter Versicherungsbetrug. Oft soll vor dem Ehepartner oder (bei Dienstwagen) dem Chef vertuscht werden, dass man selbst der Unfallverursacher ist.

Beides - das Vortäuschen und die wirkliche Unfallflucht - sind Straftaten, die mit Geld- oder Freiheitsstrafe sanktioniert werden können. Im Bochumer Polizeibezirk (mit Herne und Witten) gab es im Vorjahr 4049 Unfallfluchten (41,4 % aufgeklärt). Im Jahr davor gab es 4266 Fälle (43,25 % aufgeklärt). In laufenden Jahr gab es schon 2471 Fälle.