Bochum.

Das Museum Situation Kunst ist immer für Überraschungen gut. Jetzt hat es mit Claude Viallat einen Künstler zu bieten, der in erster Linie Insidern bekannt sein dürfte, und der doch in seinen Arbeiten einer offenen, publikumsnahen Kunst Raum verschafft. So gesehen ist seine Ausstellung „Der Stoff der Kunst“ eine echte Entdeckung.

Claude Viallat (* 1936 in Nîmes) gilt als Anreger der französischen „Supports-Surfaces“-Bewegung, er wurde bisher in Deutschland kaum in Einzelausstellungen gezeigt. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich eine künstlerische Haltung, die die überkommenen Möglichkeiten der Malerei in Frage stellt. Seit den 1960er Jahren entwickelt Viallat mit bis heute immer wieder neuen Findungen eine überaus eigenständige, durchaus radikale Werkauffassung.

Verspielter Charme

Dabei geht es nicht so sehr um Themen und Motive, sondern um die Mal- und Gestaltungstechnik in Viallats „Bildern“. Er verzichtet auf Keilrahmen und straff gespannte Leinwand; vielmehr geht er sozusagen hemdsärmelig mit seinen Malgründen um. Zeltplanen und Tischdecken dienen ihm ebenso als Bildträger wie Segeltuch, Teppiche, Duschvorhänge oder Bettüberwürfe. Es ist diese höchst eigene stoffliche Qualität, die als wesentliches Moment in Viallats Werk hervortritt. Sein malerisches Vokabular ist reduziert, oft arbeitet er mit seriell per Schablone aufgebrachten Basisformen, die von fern an organische Muster erinnern.

Seine Herangehensweise zeitigt verblüffende Effekte, denn dieses Kunst lässt sich jederzeit zusammenfalten, anfassen, „aufblättern“ oder begehen; etwa, wenn Viallat ein gebrauchtes Armeezelt künstlerisch verfremdet. Das „Erschrecken“ darüber ist umso größer, je mehr man die klassische Bildformen für sich als die einzig Wahren verinnerlicht hat. Wenn man sich davon lösen kann, gewinnen Claude Viallats „Bilder“ zunehmend an Charme. Sie vermitteln eine fast verspielte Würde, die gelegentlich hart – aber bewusst! – den Kitsch streift.

Zwar ist Claudes Viallats Stil einzigartig, aber er steht nicht für sich. Mit seiner Kunst steht er in einer kunsthistorischen Tradition – mit Nähe etwa zur US-amerikanischen Hard Edge-Szene der 1950er Jahre oder zu den kreativen Bildzerstörungen eines Lucio Fontana. Hier wie dort geht es um die Demontage des klassischen Tafelbildes, treten Bildgrund und Malerei in einen gleichrangigen Dialog.