Bochum. Hohe Dispo-Zinsen sind seit langem ein Ärgernis. Die WAZ Bochum vergleicht die Angebote von acht örtlichen Geldinstituten und geht der Frage nach, warum die Zinsen für Überziehungskredite so hoch sind.

Fridolin Rummel ist empört. Ein Zeitschriftenartikel über die Höhe von Dispozinsen in Deutschland hat ihn auf die Palme gebracht. Und als der WAZ-Leser bei seiner „Hausbank“, der Sparkasse Bochum anfragte, wie viele Zinsen sie denn fordert, sollte er sein Konto kurzfristig überziehen, war er bedient. 17 Prozent nehme die Sparkasse, habe er auf telefonische Anfrage erfahren.

Der 45-Jährige hält das für für deutlich überzogen, auch wenn er mittlerweile erfahren hat, dass der Wert nicht ganz so hoch ist. Gerade angesichts der günstigen Refinanzierung, die den Banken seit geraumer möglich ist, „bekomme ich in diesem Zusammenhang die Vokabel Wucher nicht aus dem Kopf“.

Eine Bank, die Geld von der Europäischen Zentralbank leiht, muss momentan 0,5 Prozent Zinsen dafür bezahlen. Eine deutliche Differenz zwischen Aufwand und Ertrag. Rummel: „Zwar nehme ich zur Zeit keinen Dispokredit in Anspruch, dennoch bin ich sehr enttäuscht, dass ausgerechnet meine Hausbank an dieser Stelle eine traurige Spitzenposition einnimmt“, Rummel.

Zwei Dispo-Zinssätze

Nun, Spitze ist die Sparkasse Bochum nicht, was auch daran liegt, dass zwischen den Zinsen für eingeräumte und für geduldete Überziehungen unterschieden werden muss. Bei den eingeräumten Überziehungen liegt die Sparkasse Bochum mit 11,85 Prozent bei einem im Vorjahr vorgenommenen, bundesweiten Vergleich eher im oberen Mittelfeld, aber nicht an der Spitze.

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Ähnlich ist die Position des Marktführers – die Sparkasse Bochum führt 192.560 Privatkonten – auf dem lokalen Markt. Die höchsten Dispo-Zinsen (geduldet) bei einem Vergleich von acht Bochumer Kreditinstituten verlangt die Commerzbank mit bis zu 17,40 Prozent (je nach Art des Kontos). Alle Banken weisen die Kosten eher verschämt in kleiner Schrift in Aushängen aus.

Flexibilität kostet

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Dem Vorwurf, der Dispo-Zins bleibe dauerhaft hoch, obwohl die Banken selbst sich seit langem Geld so günstig wie nie leihen kann, widerspricht Sparkassen-Sprecherin Sabine Raupach-Strohmann. So habe die Sparkasse den Dispo-Zinssatz in den vergangenen fünf Jahren von 13,75 auf 11,85 Prozent gesenkt. Höher als andere Kreditzinssätze sei er, weil die Kunden „schnell und ohne Sicherheiten“ unvorhergesehene Ausgaben kurzfristig decken könnten.

Und: „Die hohe Flexibilität eines Dispositionskredits spiegelt sich zwangsläufig in höheren Zinsen im Vergleich zum Ratenkredit wider. So ist der laufende Aufwand, um Dispositionskredite vorzuhalten und zu überwachen, für Kreditinstitute höher als bei anderen Krediten.“ Größere Belastungen gäbe er zudem erst, „wenn Kunden ihren Dispositionskredit langfristig ausschöpfen“ statt andere Finanzierungsmöglichkeiten mit niedrigeren Zinsen zu wählen.

Allerdings: Dass der Dispo-Zins so hoch ist, und zwar nicht nur in Bochum, ärgert derweil nicht nur WAZ-Leser Fridolin Rummel. So argumentiert Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), die 2012 eine bundesweite Analyse zu dem Thema in Auftrag gab, auch mit einem Zinssatz von zehn Prozent ließe sich „profitabel arbeiten“.

Drei Fragen an die Verbraucherzentrale Bochum 

1. Hören Sie von Verbrauchern häufiger, dass sie sich über zu hohe Dispo-Zinsen ärgern?

Andrea Thume: Nein, das kann man nicht sagen. Es ist aber so, dass es in Bochum viele Bankkunden gibt, die den Dispo-Kredit dauerhaft nutzen. Und das ist natürlich eine große Belastung für den Geldbeutel, zumal die Überziehung des Girokontos häufig aus einer veränderten Einkommenssituation resultiert.

2. Kümmern sich Verbraucher zu wenig um ihre Finanzen?

Andrea Thume, Leiterin der Verbraucherberatung Bochum
Andrea Thume, Leiterin der Verbraucherberatung Bochum © WAZ

Thume: Erst einmal ist es gut, dass sie bei unvorhergesehenen Fällen schnell die Möglichkeit haben, einen Engpass zu überbrücken. Zugleich sollte das aber auch eine Warnung sein. Sie sollten einen Strich unter ihre monatlichen Einnahmen und Kosten machen. Aus unserer Erfahrung als Schuldnerberater wissen wir, dass Dispokredite nicht selten dauerhaft in Anspruch genommen werden. Jeder Verbrauch ist daher gut beraten, sich selbst zu überlegen, wie er diese Situation bereinigen kann. Allerdings: In dem Moment, in dem jemand einen Dispo in Anspruch nimmt, steckt er unter Umständen auch in einer Notlage, wie zum Beispiel bei Trennung, Arbeitslosigkeit oder Krankheit.

3. Die Banken sehen Sie in keiner Verantwortung?

Thume: Sie weisen auf die Geschäftsbedingungen und sind natürlich daran interessiert, Geld zuverdienen. Wir würden es aber schon begrüßen, dass die Geldinstitute eher den Geldhahn zudrehen oder Kunden, die dauerhaft einen Dispokredit nutzen, auf alternative, günstigere Kreditformen aufmerksam machen. Die Informationspolitik vieler Banken ist einfach nicht klar genug. Verbraucher können häufig nicht nachvollziehen, wie und wann sich die Zinsen für den Dispokredit verändern.