Bochum. .

Von ihrem ersten Gehalt - 550 Mark waren das 1969 - kaufte sich Haeng-Ja Fischer (70) ein Grundig Tonbandgerät, um in jeder freien Stunde Deutsch zu lernen. Mit vier Kolleginnen kam sie damals aus Südkorea ans St. Josefs-Hospital nach Linden. Nach Sechs Monaten sprach sie fließend deutsch. Nach weiteren sechs Monaten wurde sie Stationsschwester. Der Chefarzt erkannte, dass er eine zielstrebige, dynamische und sympathische Fachkraft gewann. Heute sagt Haeng-Ja Fischer: „Deutschland ist meine Heimat. Korea trage ich in meinem Herzen.“

Sie packte zu. Von den mitleidig lächelnden deutschen Kolleginnen, die sich amüsierten, weil sie anfangs „kein Butterbrot schmieren konnte“, ließ sie sich nicht entmutigen: „So etwa gab es in Korea nicht, woher hätten es wir kennen sollen?“ Schnell setzte sie durch, dass die Koreanerinnen im Wohnheim kochen durften: Die Verwaltungsleitung des Hospitals hatte zuvor Essensgeld vom Gehalt abgezogen, obwohl das angebotene Essen nicht genutzt wurde. Daraufhin investierte sie ihren Lohn, lud den Verwaltungsleiter und sein Team zum typisch koreanischen Essen ein, vergaß aber auch nicht, Schinkenröllchen auf den Tisch zu stellen. Am Ende waren der Schinken verputzt, die vielen vegetarischen Köstlichkeiten nur wenig. „Da habe ich zum Verwaltungschef gesagt, so müssen Sie sich vorstellen, dass es uns geht. Wir kennen keinen Schinken.“

Nebenbei war Haeng-Ja Fischer Dolmetscherin für die Ruhrkohle: Bergleute aus Korea kamen neben den Krankenschwestern als Gastarbeiter nach Deutschland. „Das kann eine Frau nicht“, gaben koreanische Männer ihre Weltsicht preis, als sie 1971 ihren Führerschein machte. 1972 holte sie ihre zwei Kinder aus Korea nach Bochum. „Das glaube ich nicht“, sagte ihr Chef, als sie 1976 ein altes Steigerhaus in unmittelbarer Nähe zur Klinik kaufte - und voll ins finanzielle Risiko ging. „Damals war es für eine Ausländerin mit Kindern unmöglich, eine Wohnung anzumieten“, erinnert sich Haen-Ja Fischer. Um Reis zu holen, baute sie den Sitz aus ihren VW-Käfer aus und rollte nach Gelsenkirchen zum Großeinkauf zu Müllers Mühle. Kürzlich lud Bundespräsident Joachim Gauck sie nach Goslar ein. Im Februar 2013 war sie zu Gast bei der koreanischen Präsidentin Park Geun-hye. Die Liste der Anerkennungen lässt sich fortsetzen. Die kulturellen Aktivitäten, die Haeng-Ja Fischer seit über 40 Jahren organisiert, füllen Bücher.

107 Künstler werden eingeflogen

„Sie war immer clever“, wie ihr Mann Peter Fischer mit Freuden anmerkt. Vor 23 Jahren lernten der Ex-Berufsschullehrer und die Krankenschwester sich kennen. Peter Fischer: „Es hat sofort gefunkt.“ Jetzt hilft das Paar mit, die größte von vier großen Veranstaltungen für in Deutschland lebende Koreaner im Jahr 2013 zu organisieren: Samstag, 3. August, 16 Uhr werden 3000 Gäste zum „50-jährigen Jubiläum der Bergleute und Krankenschwestern in der Bundesrepublik Deutschland“ erwartet.

Der größte öffentliche koreanische Sender KBS organisiert und gestaltet die 50 Jahr-Feier, lässt 107 Künstler aus Korea einfliegen, um klassische und moderne koreanische Rhythmen nach Bochum zu holen. Die TV-Aufzeichnung soll an zwei Abenden in Korea ausgestrahlt werden. Kooperationspartner ist das ZDF. Die Sponsoren Samsung, Hyundai und Korean Airlines ermöglichen, dass der Eintritt frei ist. Gesprochen wird koreanisch. Haen-Ja Fischer: „Ich lade die Bochumer ein, einfach zu kommen und mitzufeiern.“

REGIERUNGSABKOMMEN ÖFFNETE DIE GRENZE ZUR BUNDESREPUBLIK

Vor 50 Jahren wurde das Abkommen zur Entsendung koreanischer Bergarbeiter und Krankenschwestern nach Deutschland unterzeichnet. Von 1963 bis 1980 kamen rund 8000 koreanische Bergleute, ab 1965 rund 11 500 Krankenschwestern und in die Bundesrepublik.

Die Krankenschwestern verfügten - dank einer angloamerikanischen Ausbildung - über eine dem heutigen Bachelor-Studium vergleichbare Ausbildung, sie waren damit in der Regel höher qualifiziert als ihre deutschen Kolleginnen.

Rund 35 000 Koreaner leben heute in Deutschland. Die koreanische Gemeinde ist gut vernetzt. Die in Bochum lebende Haean-Ja Fischer ist unter anderem im Verein der Koreanischen Gesundheits- u. Krankenpflegerinnen in Deutschland (Essen) engagiert.

Die Gastarbeiter/innen aus Korea finanzierten oftmals das Leben ihrer Familien in der Heimat, ermöglichten Geschwistern zu studieren. Es gibt Stimmen, die sagen, dass koreanische Wirtschaftswunder sei durch die Einkommens- und Wissenstransfers aus dem Wirtschaftswunderland Deutschland mit ermöglicht worden. Einige der deutsch-koreanischen Familien leben übrigens - als Rückkehrerinnen - in einem deutschen Dort in Südkorea.