Die knorrigen Platanen neigen ihre Kronen zueinander und am Ende der Eingangsallee des Altenbochumer Friedhofs thront ein Steinkreuz. „Diese Perspektive ist meine Lieblingsansicht in Altenbochum“, verrät Reinhard Micheel (60). Seit er 1953 geboren wurde, ist er seinem „Kiez“ treu geblieben.
Als Geschäftsführer der Hilfsorganisation Aktion Canchanabury für Aidswaisen in Afrika arbeitet Micheel in seinem Büro an der Stadtteilgrenze zu Laer, wenige Straßen entfernt wohnt er.
Der Alteingesessene weiß vom gestrigen und heutigen Stadtteilleben zu berichten. Ein wichtiger Treffpunkt in diesen Tagen sei der Altenbochumer Bogen. „Die Leute hatten am Anfang Angst, dass das Dach nicht hält“, schmunzelt er und deutet auf das Flachdach. Am Altenbochumer Bogen gibt es Ärzte, Bäcker, Supermarkt und eine Drogerie. „Wir haben hier alles, sogar einen Hörgeräteakustiker“, ergänzt Micheel mit Augenzwinkern. Beim jährlichen Halbmarathon säumen Menschen die Wittener Straße und reichen den Marathonis am Altenbochumer Bogen Wasser. „Es ist der höchste Punkt des Laufs“, weiß Mitinitiator Reinhard Micheel.
Trotz aller Euphorie und Liebe gibt es für Micheel auch Grund zur Sorge im Stadtteil. Die drei klaffenden Baulücken im Zentrum an der Wittener Straße finde er sehr unattraktiv. „Da kommt einfach nichts “, ärgert er sich.
Wohnstraßen mit viel Flair
Neben rein pragmatischen Vorteilen Altenbochums zeigt Micheel abseits der Hauptstraße, längs des Pappelbuschs, Wohnhäuser, deren unverkrampft bepflanzte Vorgärten sympathische Bewohner erahnen lassen. In der Ulmenallee indes wecken die hohen Fenster alter Villen die Neugier des Spaziergängers. Kurzum: Altenbochum hat Flair.
Die Goystraße, optisch unspektakulär, ist Micheel ans Herz gewachsen. „Früher war hier alles grau in grau, jetzt ist es schon bunter geworden“, beschreibt er. Hier gründete er gemeinsam mit seiner Frau die Familie. In der Goystraße gab es außerdem die berühmte Pommesbude von „Heidi“. Da hätte zu seiner Zeit wohl jedes Kind neben dem großen Mayonnaisefass auf der Theke gesessen, erinnert sich Micheel.
Anziehungspunkt in den sechziger Jahren sei das Kino Universum gewesen, das es einst in der Liebfrauenstraße gab. „Wenn die Jugendlichen am Sonntag ins Kino gingen, stand der Kaplan an der Straße und sammelte sie zur Christenlehre ein“, berichtet er. Micheel selbst geht bis heute in die Sonntagsmesse und ist im Kirchenvorstand der Pfarrei Liebfrauen aktiv.
Fasziniert berichtet der Altenbochumer vom kühnen Seefahrer Fritz Bruch (1854-1937), Sohn eines Altenbochumer Gastwirts. Er war einst verschollen und kam später von Reisen bis an den Nordpol zurück. An ihn erinnern bis heute die Galionsfiguren am Haus Wittener Straße 218 und die Straße „Bruchspitze“.
Micheel grüßt auf dem Spazierweg viele Menschen. Seine Freunde, mit denen er am liebsten in der spanischen Gaststätte Pablo im Biergarten zusammensitze, seien das Wichtigste für ihn in Altenbochum, merkt er an. Auch mit dem jüngst verstorbenen Altenbochumer Künstler Friedrich Gräsel war er gut bekannt. „Die letzten Jahre haben wir uns ab und an am Sonntag in der Kirche gesehen“, sagt er auf der Platanenallee des Freigrafendamms.
Micheel möchte hier bleiben. So hat er sich für sein Alter die recht neuen, altengerechten Wohnungen an der Immanuel-Kant-Straße ausgeguckt. „Ein Penthouse, das wäre mein Traum“, sagt er.